24.04.2025

Forschende suchen Lösungen für Nürnbergs Drogenproblem

Retten Drogen-Checks Leben? Das Forschungsprojekt „EviDriN“ untersucht, wie Substanzanalysen Menschen in der Metropolregion Nürnberg vor gefährlichem und tödlichem Drogenkonsum schützen könnten. Bei einem Treffen am Klinikum Nürnberg gaben die Beteiligten erste Einblicke in ihre Arbeit.

Die im Dezember 2024 gestartete Studie „EviDriN“ (Evidenzbasiertes Drug-Checking in Nürnberg) zielt darauf ab, binnen eineinhalb Jahren zu klären, ob Drug-Checking Nürnbergs Drogenproblem entschärfen und das Gesundheitssystem entlasten kann. Drug-Checking ermöglicht Konsumenten, ihre Drogen im Vorfeld anonym und straffrei auf Inhaltsstoffe und Reinheit testen zu lassen, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. In Bayern fehlt es derzeit an einer Rechtsgrundlage für solche Modellprojekte.

„Die Entscheidung über Drug-Checking liegt bei der Politik. Wir wollen eine wissenschaftliche Basis schaffen, auf der sinnvoll entschieden werden kann“, sagte Sabine Beßler, Vorstand Personal und Compliance des Klinikums Nürnberg, bei der Begrüßung der Gäste. Am Auftakttreffen nahmen neben Suchthilfeeinrichtungen auch Mitglieder des Sozialausschusses des Nürnberger Stadtrats und Bernhard Seidenath, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag, teil.

Das Klinikum Nürnberg, eine bedeutende Anlaufstelle für Sucht- und Notfallmedizin, engagiert sich im „Nürnberger Drogenhilfemodell“, das hinter „EviDriN“ steht. An der Studie arbeiten das Klinikum Nürnberg, die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU), die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) und die Hochschule Ansbach im Verbund. Die Drogenhilfe-Organisationen Mudra und Lilith sind Praxispartner. Das Bundesforschungsministerium fördert die Untersuchung mit 360.000 Euro.

Trotz zuletzt gesunkener Drogentotenzahlen im Großraum gibt es keine Entwarnung, wie Jan Welker, Oberarzt der internistischen Intensivstation auf dem Campus Nord, betonte. „Nürnberg bleibt unter deutschen Großstädten ein Drogen-Hotspot. Es gibt viel zu viele Notfälle und hohen Konsum.“ Instabile Drogenmärkte und neue synthetische Substanzen erhöhen die Gesundheitsgefahren; zunehmend sind Jüngere und Frauen betroffen.

Die angespannte Personallage belastet Rettungsdienste und Kliniken ohnehin schon – Intensivbetten sind knapp. „Drogen-Notfallpatienten sind oft sehr versorgungsintensiv“, sagt Jan Welker. „Sie beanspruchen unsere Ressourcen ebenso wie andere schwerkranke Akutpatienten, die wir auf der Intensivstation versorgen wollen – mit dem Unterschied, dass viele Drogennotfälle durch Prävention vermeidbar wären. Wir brauchen systemische Lösungen für ein systemisches Problem.“ Das Klinikum Nürnberg behandelt jährlich über 1400 Menschen wegen akuter Vergiftungen, meist durch Alkohol, oft auch durch illegale Drogen. Bei einer Überdosierung drohen Bewusstlosigkeit und Atemstillstand; bei manchen Substanzen kommt es zu extremer Agitation und somit zu Selbst- und Fremdgefährdung.

Johanna Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fakultät Sozialwissenschaften der Ohm, untersucht gerade die internationale Forschung zu Drug-Checking. „Die Datenlage zeigt schon jetzt: Drug-Checking entlastet das Gesundheitssystem“, stellt sie fest. Studien aus mehreren Ländern zeigen, dass die freiwilligen Stoffprüfungen Risiken verringern, ohne den Konsum zu fördern, und sogar zum Verzicht anregen können. Die Zahl der Krankenhauseinlieferungen sinkt. Die unklare Rechtslage von Drug-Checking-Angeboten bleibt jedoch ein Problem.

„EviDriN“ umfasst weitere Teilprojekte. So vergleicht beispielsweise eine Diplomandin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Laboranalysen von Patienten des Klinikums Nürnberg, Spritzenrückstände und Befragungen von Konsumenten: Sind die tatsächlich konsumierten Substanzen identisch mit den vermuteten? Die Hochschule Ansbach (Prof. Dr. habil. Sebastian Sauer) übernimmt die statistischen Analysen. Ebenfalls an der Ohm erstellt die Fakultät Betriebswirtschaft eine Kosten-Nutzen-Analyse für Drug-Checking (Prof. Dr. Malte Sandner). Die Fakultät Sozialwissenschaften sammelt in Interviews Erfahrungen aus europäischen Drug-Checking-Standorten.

Das Nürnberger Drogenhilfemodell versteht sich als Denkfabrik, mit „EviDriN“ als Teil davon. „Wir arbeiten ergebnisoffen und wollen das Thema in die Stadtgesellschaft einbringen“, sagt Prof. Dr. Christian Ghanem, Projektleiter an der Ohm. „Wir wissen, dass man Drug-Checking-Modelle, die anderswo funktionieren, nicht einfach kopieren kann. Sie müssen an örtliche Gegebenheiten angepasst werden.“ Mitte 2026 sollen Ergebnisse vorliegen.

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