29.05.2024

Wie können sich Mensch und Maschine besser verstehen?

Von Nikolas Pelke

Wer kennt das nicht: Man kauft ein neues Gerät, zum Beispiel einen Kaffeevollautomaten, und stellt fest, dass die Bedienung schwieriger ist als gedacht. Oder man verbringt (zu) viel Zeit auf einer unübersichtlichen Webseite, um eine Buchung zu tätigen. Im Ohm User Experience Center (Ohm-UX) forscht das interdisziplinäre Team um Professor Patrick Harms zur Verbesserung dieses Nutzererlebnisses, der so genannten User Experience.

„Menschen denken und handeln abhängig von ihren persönlichen Erfahrungen, Kenntnissen und ihrer aktuellen Umgebung, die es zu verstehen gilt," erläutert der Leiter des Ohm-UX, Prof. Dr. Patrick Harms. Der studierte Informatiker hat sich während seiner gesamten Forschungslaufbahn mit der Frage beschäftigt, wie sich Mensch und Maschine unter dem Stichwort der Usability oder Gebrauchstauglichkeit besser verstehen können. Harms spricht von schwankenden Tagesformen selbst beim Bedienen der alltäglichsten Gegenstände wie Backöfen, Kaffeemaschinen oder Waschautomaten. Und häufig sind Kleinigkeiten die Ursache für Bedienprobleme der Nutzer*innen: Hier ein Haken zu viel, dort ein Klick zu wenig – schon ist die gute Laune dahin. Was wie eine Kleinigkeit anmuten mag, entscheidet immer häufiger über den Erfolg von Produkten – gerade bei mobilen Anwendungen oder Webseiten wo Abgrenzungsmöglichkeiten oft gering sind. Wie ein Vermittler zwischen zwei Welten suchen Harms und seine Kolleg*innen nach einem Interessenausgleich zwischen Anwender*innen und Schöpfer*innen. „Dafür müssen wir das Nutzerverhalten kennen.“ Bleiben wir im Bild des neuen Backofens, könnte das zum Beispiel so funktionieren: Mit Hilfe von VR-Brillen werden Entwürfe dreidimensional dargestellt, damit Testnutzer*innen früh realitätsnah testen können, wie gut sie bedienbar sind. Durch Beobachtung dieser Bedienungsprozesse entstehen konkrete Hinweise, an welcher Stelle die Proband*innen mit Usability-Problemen zu kämpfen haben.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Schwierigkeiten bei der Anwendung können vermieden werden, bevor ein Hersteller die neueste Maschine oder Software auf den Markt bringt. „Wir sind in der Lage zu evaluieren, ob die Leute mit einem Gerät oder einer Softwareoberfläche umgehen könnten, bevor man es bauen würde“, präzisiert Harms.

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen könnten sich nicht einfach eine virtuelle Umgebung programmieren, um die neueste Produktidee noch vor der allerersten Fertigung einem Praxistest zu unterziehen. Sie können sich dabei vom Ohm-UX im Rahmen von Auftragsforschung unterstützen lassen. Neben der nutzerbasierten Evaluation wird die Erforschung des Anwenderverhaltens zukünftig immer mehr mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) getestet, ergänzt Harms.

Der Leiter des Ohm-UX freut sich auf den bevorstehenden Umzug in das Ohm Innovation Center, einem Forschungsneubau auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Nürnberg.  „Dort bekommen wir wirklich die erstklassigen Bedingungen, die unser wachsendes Team für optimale Ergebnisse benötigt“. Gegenwärtig ist das bestehende Ohm-UX zwischen Designlabors und Studios in der Wassertorstraße schon an einem normalen Tag stark ausgelastet. In einem Raum wird an Fragebögen gearbeitet, in einem anderen werden Anwenderinnen und Anwender am Bildschirm beobachtet.

„Dass der Mensch von Anfang an im Entwicklungsprozess berücksichtigt wird, hat wirklich das gesamte Engineering revolutioniert“, bestätigt die zertifizierte UX-Expertin Katrin Proschek, die schon beim Start des Kompetenzzentrums vor 18 Jahren dabei war.

„Das neue Team aus sieben Professoren wird sich mit neuesten Forschungsfragen beschäftigen“, sagt Proschek. Es ist mit sieben Professuren aus drei Fakultäten deutlich größer und breiter aufgestellt. Alexander von Hoffmann, Professor für Mechatronik, interessiert sich beispielsweise besonders für die Frage, wie Autofahrer*innen mit Hilfe von Licht- und Sounddesign eine bessere Benutzererfahrung ermöglicht werden kann. Um Mechanismen zur Nachvollziehbarkeit und Fairness automatisierter Entscheidungen geht es bei Prof. Dr. Timo Jakobi, während Prof. Dr. Alexander Hahn sich als tech-affiner Betriebswirt um Branding, Marketing und Sales kümmert.

„Mein Schwerpunkt ist KI, UX und die Frage, wie eine gute vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI-Systemen aussehen kann. Ich will beispielsweise teil-autonome Fahrzeuge noch benutzerfreundlicher machen. Hierfür entwickeln und testen Studierende im Förderprogramm Forschendes Lernen gerade verschiedene Konzepte im Fahrsimulator“, sagt Prof. Dr. Sven Winkelmann und zeigt auf das Lenkrad vor dem großen Computerbildschirm im UX-Labor.

Gerade der unterschiedliche fachliche Hintergrund der beteiligten Wissenschaftler macht die Arbeit im Ohm-UX für Winkelmann so fruchtbar. „UX ist ein sehr interdisziplinäres Feld mit unterschiedlichsten Anknüpfungspunkten“, erklärt er. Winkelmann freut sich, dass immer mehr Firmen dazu übergehen, das Nutzererlebnis gesamtheitlich zu betrachten: „Früher haben die Techniker*innen erst entwickelt und dann die Beschwerden aus dem Feldtest abgearbeitet. Heute werden die Anwender*innen von Anfang an mitgedacht. So sieht ein optimaler Entwicklungsprozess aus“, erklärt Winkelmann und betont, dass man gerade während der bevorstehenden KI-Revolution die Mensch-Maschine-Interaktion nicht aus den Augen verlieren dürfe. „Die Benutzer*innen sind in einer Welt mit KI entscheidend für die Akzeptanz der Systeme.“ Jede noch so gute KI könne schließlich nur in Kombination mit dem Menschen gut funktionieren. Auch an der Lösung von solchen Zukunftsfragen will das Team um Harms im neuen Ohm-UX gemeinsam arbeiten.

Im Ohm-UX arbeiten mit:
Prof. Dr. Patrick Harms
Prof. Dr. Alexander von Hoffmann
Prof. Dr. Timo Jakobi
Prof. Dr. Sven Winkelmann
Katrin Proschek
Philipp Renner
Tom Schmid

Fakultät Elektrotechnik Feinwerktechnik Informationstechnik

Prof. Dr. Christian Winkler
Prof. Dr. Alexander Hahn

Fakultät Betriebswirtschaft

Prof. Tilman Zitzmann
Fakultät Design

 

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