26.05.2025

Nebenjob auf Schienen

Von Mario Kraußer

Es ist ein durchwachsener Tag in Nürnberg, der Himmel ist grau und die Stadt ist von leichtem Nieselregen überzogen. Die meisten Städter sitzen wohl gerade in ihren warmen Wohnungen oder Büros, als der 24-jährige Benedikt Hanne seine Dienstfahrt antritt. Der Student der Sozialen Arbeit ist als studentischer Straßenbahnfahrer bei der VAG Nürnberg beschäftigt.

Trotz des tristen Wetters hat Hanne eine sonnige Ausstrahlung an diesem Vormittag. Er wirkt wie ein Mensch, der selten schlechte Laune hat. Sein langes, blondes Haar fällt auf seine dunkelblaue VAG-Jacke, als er einen Blick in seine braune Lederumhängetasche wirft. Darin hat er alles, was er für seine Dienstfahrt braucht. Mit einem Tablet hat er alle wichtigen Informationen abrufbereit. In seinen kleinen Taschenkalender hat er handschriftlich eine Notiz für die heutige Dienstfahrt geschrieben: „Linie 10, Zug Nummer 3 – Abfahrt um 11.59 Uhr.“ In zehn Minuten geht es los.

Entscheidung im Fahrsimulator
Hannes Weg zu seinem ungewöhnlichen Nebenjob begann mit einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem er las, dass die VAG studentische Straßenbahnfahrer suche. „Die Bewerbung habe ich noch am selben Tag geschrieben, weil mich das gleich gecatcht hat“, erinnert er sich. Es folgte eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, das für ihn überraschend unkompliziert verlief: „Die VAG hat genau erklärt, was mich erwartet – auch die Ausbildungszeit – und was in der Praxis auf einen zukommt“, erklärt er. Spätestens nach der gemeisterten Herausforderung im Fahrsimulator, in der Hanne gleich mit einer Sondersituation konfrontiert war und auf einen Funkspruch reagieren musste, stand für ihn fest: Dieser Nebenjob ist genau der richtige für ihn.

Übergabe in 30 Sekunden
Die Haltestelle Plärrer ist an diesem Tag nicht besonders stark besucht. Zwei Straßenbahnen rollen hintereinander ein und nach einem kurzen Gespräch mit dem Fahrer der ersten Bahn ist klar: Die hintere Straßenbahn ist die von Hanne. Eilig macht er sich auf zu seinem Dienstfahrzeug, denn die Tram hat bereits ein paar Minuten Verspätung. Die Übergabe mit seiner Kollegin ist effizient und dauert keine 30 Sekunden – genauso lang, wie die Fahrgäste zum Einsteigen brauchen. Dann setzt Hanne das tonnenschwere Gefährt in Bewegung. Die Ausbildung zum Straßenbahnfahrer bei der VAG ist intensiv, aber gut organisiert.

Studentische Fahrer sind gefragt!
Studierende lernen in 30 Tagen fast alles, was sie für den Job wissen müssen. Bei den hauptberuflichen Fahrern würden zum Beispiel noch Tarifschulungen dazukommen, erklärt Susanne Jerosch, Mitarbeiterin des Verkehrsunternehmens. Auf die Frage, weshalb die VAG auf studentische Fahrerinnen und Fahrer bei der Straßenbahn setzt, kommt sie auf den Fachkräftemangel zu sprechen. „Wenn wir das öffentliche Verkehrsangebot weiter ausbauen und attraktiv halten wollen, dann müssen wir neue Zielgruppen ansprechen.“ Darüber hinaus seien öffentliche Verkehrsmittel nach Ansicht der VAG ein essenzieller Teil der in Deutschland angestrebten Mobilitätswende.

Nächste Ausbildungsrunde im Sommer
Die studentischen Fahrer tragen somit nicht nur zur Stabilität des Fahrplans bei, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Planung des Unternehmens. Nach der ersten Bewerbungsrunde fahren momentan fünf Studierende für den Verkehrsbetrieb Die studentischen Fahrer tragen somit nicht nur zur Stabilität des Fahrplans bei, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Planung des Unternehmens. Nach der ersten Bewerbungsrunde fahren momentan fünf Studierende für den Verkehrsbetrieb – für die VAG war der Pilotversuch ein klarer Erfolg. Der Plan ist, bereits im Mai 2025 neue Stellen für Studierende auszuschreiben – die nächste Ausbildungsrunde soll im Sommer beginnen.

"Ein schönes Verkehrsmittel"
Hanne selbst muss nicht mehr überzeugt werden. „Die Straßenbahn ist ein schönes Verkehrsmittel, eines, das man gerne fährt und das glücklich macht“, sagt er. Obwohl er vor seinem Job kein besonders großer Fan der Straßenbahn war, hat sich dies inzwischen geändert. Er erzählt, dass er auch in seiner Freizeit nun sein Auto häufiger stehen lässt, um stattdessen mit Bahn oder Bus zu seinem Ziel zu kommen.

Schlechtes Wetter, gute Laune
Die Fahrt vom Plärrer zur Haltestelle Am Wegfeld und zurück dauert rund 40 Minuten. Hanne kennt die Strecke inzwischen genauso gut wie seine erfahrenen Kollegen in den entgegenkommenden Trams, denen er immer mit der gleichen Handbewegung zuwinkt. Wenn die Bahn doch einmal rumpelt, dann liegt es nicht an seinem Fahrstil, sondern an den Weichen im Schienennetz. Trotz des regnerischen Wetters bleibt die Fahrt entspannt, bis kurz vor Ankunft am Plärrer eine Gruppe von etwa 30 Schülern einsteigt. Schnell wird es laut zwischen den Sitzen, schallendes Gelächter und Gespräche hallen durch die Bahn. Ablenken lässt sich Hanne davon aber nicht und steuert die Bahn weiter routiniert durch den Nürnberger Stadtverkehr. Dann ist die Tram wieder dort angekommen, wo Hanne seine Schicht vor einer knappen Dreiviertelstunde begonnen hat. Während die Fahrgäste aussteigen, bleibt nur eine kurze Pause. Kurz darauf fährt der Student wieder los. Der Regen ist stärker geworden, doch eins steht fest: Hanne wird sich seine gute Laune vom schlechten Wetter nicht verderben lassen.

 

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