29.05.2024

Mit Genschaltern Krankenhauskeime bekämpfen

Von Katrin Poese

Antibiotika-resistente Keime machen in vielen Krankenhäusern Probleme. Zu ihnen gehört das Bakterium Stenotrophomonas maltophilia. Ein Forschungsteam aus den Fachbereichen Medizin, Molekularbiologie und Biochemie ist auf der Suche nach Wegen, wie man es bekämpfen kann. Dabei kommen molekularbiologische Verfahren zum Einsatz, die in das Genom des Bakteriums eingreifen.

Die Umgangssprache führt auf eine falsche Fährte: Die Bezeichnung „Krankenhauskeime“ legt nahe, dass es nur um eine Art von Bakterien geht. Tatsächlich jedoch verbergen sich hinter den Antibiotika-resistenten bakteriellen Krankheitserregern unterschiedliche Gattungen und Arten, die auch unterschiedlich zu bekämpfen sind. An einer Spezies von ihnen arbeitet ein interdisziplinäres Forschungsteam des Klinikums Nürnberg, der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) und der Ohm. „Bei Stenotrophomonas maltophilia verzeichnen wir steigende Fallzahlen. Das Bakterium ist so zunehmend aufs Radar von Infektiologen gekommen, die das Erregerspektrum im Krankenhaus beobachten“, erklärt der Molekularbiologe Prof. Dr. Ralph Bertram, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter eine Forschungsgruppe der PMU und des Klinikums Nürnberg leitet. Ein weiterer Partner  ist Prof. Dr. Ronald Ebbert von der Fakultät Angewandte Chemie der Ohm – dort gibt es ein Gentechnik-Labor.

Welche Art von Gegner ist S. maltophilia für die Medizin? „Das Bakterium ist in der Natur weit verbreitet. Es kommt zum Beispiel an den Wurzeln von Pflanzen vor, gern dort wo es feucht ist, wie in Mooren“, erklärt Bertram. Für jüngere Menschen stellt es meist kein Problem dar. Anders ist das bei älteren und vor allem bei immunsupprimierten Menschen – Personen, deren Immunsystem beispielsweise wegen einer Chemotherapie geschwächt ist. Bei diesen Patient*innen kann S. maltophilia sich zum Beispiel in den Bronchien oder an einem Katheter festsetzen und eine Infektion auslösen. Weil S. maltophilia natürlicherweise resistent gegen viele Antibiotika ist, sind solche Infektionen sehr schwer zu bekämpfen und verlaufen bei geschwächten Menschen und beispielsweise in Verbindung mit Mukoviszidose in rund 35 Prozent der Fälle tödlich.

Um die Angriffspunkte eines solchen Erregers zu finden, muss der Blick bis in die molekulare Struktur des Bakteriums gehen. Vielversprechend sind dabei molekularbiologische Verfahren, die ins Genom eingreifen können. Besonders bekannt ist aktuell das Genome Editing mit dem Einsatz der Genschere CRISPR/Cas. Das Forschungsteam setzt aber zunächst auf ein altbewährtes Gentechnik-Verfahren: „Gerade für Mikroorganismen wie Bakterien und einzellige Pilze ist die homologe Rekombination sinnvoll und oft einfacher umsetzbar“, erklärt Biochemie-Professor Ebbert.

„Wir wollen die Gene im Bakterium finden, die für seine Virulenz sorgen, es ihm also möglich machen, in den menschlichen Organismus einzudringen und uns krank zu machen, Gene, die Energiegewinnung und Wachstum betreffen, und solche, die mit dem Entstehen von Biofilmen zu tun haben“, sagt Bertram. Biofilme kennt man im Alltag aus Waschmaschinen: Dort bilden sie sich gerne unter den Dichtungslippen. Medizinisch werden Biofilme zum Problem, weil die Bakterien darin in eine schleimige Schicht eingebettet sind. In diesem Verbund sind sie schwer zu bekämpfen.

Die geeigneten Gene zu finden, ist eine komplexe Kleinarbeit: Ein sogenanntes Induktionssystem basierend auf dem Tetrazyklinrepressor TetR (tet-System) soll auf das Bakterium angepasst und zur Genregulation eingesetzt werden. Vereinfacht zusammengefasst bedeutet das, dass man mit einem Genschalter in einen Prozess eingreift, der mit der Informationsübertragung und Proteinbildung zu tun hat. Das tet-System kann so im Idealfall Zielgene an- und wieder ausschalten und dafür sorgen, dass sie bei der Informationsübertragung nur in bestimmten Situationen berücksichtigt werden. Wenn es sich dabei um die passenden Zielgene handelt, macht der Eingriff die Zelle überlebensunfähig und das Bakterium stirbt ab.

Um dieses System auf S. maltophilia anzupassen, hat das Forschungsteam zunächst getestet, ob der Genschalter so funktioniert wie erhofft. Zur Beobachtung griffen die Forscher*innen zu einem Trick: Sie untersuchten ein so genanntes Reportergen, das aus einer Qualle stammt und in der Lage ist, grün zu fluoreszieren. An dem Leuchten konnte das Team im Fluoreszenzmikroskop erkennen, dass der Genschalter tatsächlich in der Lage ist, das Gen anzuschalten. Diese Fluoreszenzmessungen hat das Team von Ebbert im Biochemielabor der Ohm gut etabliert – allerdings musste die Forschungsgruppe dafür mit dem Bakterium Escherichia coli arbeiten, einem „üblichen Laborbakterium“, wie Ebbert erklärt. Für die Arbeit an einem Erreger wie S. maltophilia ist eine höhere Sicherheitsstufe erforderlich: Eine solche wurde in einem neu eingerichteten Forschungslabor am Klinikum Nürnberg genehmigt. Dort ist es bereits gelungen, die Oberflächenstruktur von S. maltophilia durch die tet-Regulation bestimmter Gene zu verändern – das sind vielversprechende Teil-Erfolge.

Fünf Studierende der Ohm und eine Studentin der PMU entwickelten Lösungen für Teilschritte des Projekts. Die Verschränkung von molekularbiologischem und biochemischem Fachwissen ist für Forschung und Lehre nützlich: Ebbert und Bertram diskutieren die Forschungsergebnisse gemeinsam und bringen Studierenden in einer Vorlesungsreihe zu Genetik und Zellbiologie an der Ohm die Grundlagen nahe.   

Im nächsten Schritt des Forschungsprojekts zu S. maltophilia geht es darum, im Genom des Bakteriums die Stellen zu finden, an denen der Genschalter möglichst viel bewirken kann. „Wir untersuchen zurzeit vier Gene, von denen in vorherigen Studien beschrieben wurde, dass sie essenziell sein könnten – sie haben mit dem Wachstum des Bakteriums zu tun“, sagt Bertram. Neben dieser gezielten Vorgehensweise wird auch der Zufall miteinbezogen: Zusätzlich möchte das Team in einem randomisierten Verfahren den Genschalter an einer zufälligen Stelle im Genom integrieren lassen und die Wirkung untersuchen. „Im Idealfall findet man durch dieses Verfahren ganz neue Stellen im Genom, die gute Angriffspunkte sein könnten“, erklärt Bertram. Die DNA der Bakterienstämme, in die der Genschalter erfolgreich eingebaut wurde, will das Team außerdem komplett sequenzieren. All diese Erkenntnisse werden veröffentlicht und werden so zu einem Puzzleteil im Kampf gegen multiresistente Keime.

An dem Projekt arbeiten innerhalb der Ohm mit:
Prof. Dr. Ronald Ebbert, Fakultät Angewandte Chemie

Externer Partner:
Prof. Dr. Ralph Bertram, Universitätsinstitut für Klinikhygiene, Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie des Klinikums Nürnberg und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität und Lehrbeauftragter an der Ohm

Projektförderung:
Manfred-Roth-Stiftung

 

Zurück
Anfahrt