29.05.2024

Bodenständige Technik mit großer Wirkung

Von Mario Kraußer

Im Schulzentrum und Waisenhaus von Lydia Mirembe müssen die Kinder und ihre Betreuungspersonen täglich mit Stromausfällen rechnen, weil die Netze in Uganda überlastet sind. Jetzt steht auf dem Grundstück eine Photovoltaikanlage, die im Forschungsprojekt EnergyAid konzipiert und aufgebaut wurde – das Projekt betreute unter anderem ein Student aus dem Masterstudiengang Applied Research in Engineering Sciences.

Das Thema Energiewende beschäftigt sowohl die Politik als auch die Wissenschaft. Ingenieurinnen und Ingenieure auf der ganzen Welt treibt die Frage um, wie die nachhaltige Energieversorgung von morgen aussehen könnte. Dabei gibt es – je nach wirtschaftlichem Entwicklungsstand – unterschiedliche Ansätze. „In Deutschland beschreiten wir Ingenieure einen Hochtechnologie-Pfad. Wir versuchen gesellschaftliche Probleme zu lösen, indem wir immer effizientere und ausgefuchstere Technologien entwickeln“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Frank Opferkuch, der im Bereich dezentrale Energiesysteme forscht und lehrt. Forscher*innen arbeiten mittlerweile an sehr komplexen Lösungen, jedoch kommen diese in Entwicklungsländern häufig gar nicht erst zum Einsatz. Riesige Photovoltaikanlagen, Windkraftwerke und Co. sind viel zu teuer und müssen mit viel Aufwand instandgehalten werden, und sind deshalb für solche Regionen ungeeignet.  

An der Ohm kam ein Forschungsteam des Nuremberg Campus of Technology (NCT) daher auf die Idee, ein Modell zur bedarfsorientierten Dimensionierung einer Energieanlage für ein Waisenhaus in Uganda zu entwickeln und dieses System anschließend zu evaluieren. Mit der Unterstützung von Ingenieure ohne Grenzen e. V. und Child Care Initiative e. V. konnte die Arbeitsgruppe „Dezentrale Energiewandlung und Speicherung“ die Photovoltaikanlage sogar vor Ort installieren, um dem Waisenhaus eine unkomplizierte und nachhaltige Energieversorgung zu ermöglichen.

Eine der ersten Herausforderungen war, an verlässliche Daten zur Sonneneinstrahlung heranzukommen, erinnert sich Findan Adolphs, der das Forschungsprojekt in seinem Masterstudium als Verantwortlicher bearbeitete. Das Wissen, wann und wie stark die Sonne scheint, sei eine wichtige Grundlage, um die Effizienz der Solaranlage vorab einschätzen zu können, erklärt er. Ein weiterer Schritt war die Beurteilung der Situation vor Ort, wie beispielsweise des benötigten Energieverbrauchs, den eine Photovoltaikanlage zu jedem Zeitpunkt gewährleisten muss, sodass wichtige Energieverbraucher nicht ausfallen. Auch bauliche Fragen galt es zu klären. Eine ursprünglich angedachte Installation auf dem Dach des Waisenhauses scheiterte am zu hohen Einsturzrisiko. Aus diesem Grund entschlossen sich die Forschenden für eine Freiflächenanlage auf dem Grundstück.

Beim Aufbau des Systems vor Ort konnte glücklicherweise die Regionalgruppe Ilmenau von Ingenieure ohne Grenzen tatkräftig unterstützen. Während der Bauphase steckte die Welt mitten in der Corona-Pandemie und in Uganda wütete zu diesem Zeitpunkt auch noch das Ebola-Virus. Die Reisebedingungen waren also schwierig. „Ohne das Team von Ingenieure ohne Grenzen hätten wir es nicht hinbekommen. Wir haben super zusammengearbeitet“, bestätigt Opferkuch.

Im Oktober 2023 konnte das Team die Photovoltaikanlage in Dauerbetrieb nehmen. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeiten ist nicht nur der praktische Erfolg, sondern auch eine standardisierte Methode, für wirtschaftliche und nachhaltige Anlagen, die Entwicklungsorganisationen für weitere Projekte zur Verfügung steht. Und dies mit einem vergleichsweisen überschaubaren Aufwand. „Eine einfache und bodenständige Technik bringt die Energiewende manchmal besser voran als so manche große Vision“, resümiert Opferkuch.

Auch für die Lehre an der Ohm war das Projekt EnergyAid ein voller Erfolg. Insgesamt fünf Projekt- und Abschlussarbeiten sind daraus hervorgegangen. Möglich macht dies der Masterstudiengang „Applied Research in Engineering Sciences“, in dem Bachelor- und Diplomabsolventinnen und -absolventen drei Semester lang an einem Forschungsprojekt mitarbeiten.

Dies bietet einen großen Vorteil, „weil nicht einfach nur theoretische Dinge ausgelegt werden“, erklärt Florian Raab, wissenschaftlicher Mitarbeiter am NCT. „Studierende können wirklich sehen, wie sich die Messdaten wie zum Beispiel der Lastverlauf des Gebäudes oder der Ladezustand der Batterie vor Ort in Uganda darstellen, und können auf dieser Basis das Modell im Rahmen ihrer Ausbildung einsetzen, erweitern und für andere Einsatzgebiete weiterentwickeln.“

An dem Projekt arbeiten innerhalb der TH Nürnberg mit:
Prof. Dr.-Ing. Frank Opferkuch
Florian Raab, M.Sc.

Findan Adolphs, M.Sc.
Nuremberg Campus of Technology

Externe Partner:
Child Care Initiative e. V.
Ingenieure ohne Grenzen e. V.
Autarxia Infrastruktursysteme GmbH

Projektförderung:
Klaus Tschira Stiftung gemeinnützige GmbH

 

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