26.05.2025

Künstliche Intelligenz zählt Semmeln – von der Idee zur App zur Maschine

Der 3. KI-Stammtisch „Bytes & Bier“ im TTZ Digitale Intelligenz zeigt mit der „Semmelzählmaschine“, wie KI das Handwerk und Industrie weiterentwickelt.

Was vor Jahren als Idee zwischen Bäckerhandwerk und der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm begann, ist heute ein Vorzeigeprojekt regionaler KI-Anwendung: Beim 3. KI-Stammtisch „Bytes & Bier“ im Technologietransferzentrum Oberfranken: Digitale Intelligenz (TTZ Digitale Intelligenz) drehte sich am 22. Mai 2025 alles um eine ganz besondere Maschine – und um eine Vision, wie Künstliche Intelligenz das Bäckerhandwerk effizienter, nachhaltiger und zukunftsfähig macht.

Vom Backblech zum Forschungsprojekt

Die Geschichte begann mit einem praktischen Problem: In den Backstuben des Backhauses Müller stapelten sich Bleche von unverkauften Waren – die Retouren wurden von Hand gezählt, oft ungenau, bei Mangel an Zeit und Personal auch mal gar nicht. Prof. Dr. Tobias Bocklet, akademischer Leiter des TTZ DI, und Bäckermeister Peter Müller sahen hier Potenzial für KI: Rückläufer sollten automatisch erfasst und ausgewertet werden, um die Produktion effizienter zu steuern. So entstand die Idee zum Semmeldetektor – ein System, das auf neuronalen Netzen basiert und zunächst Semmeln, später auch Brote und Spezialgebäck erkennen konnte. Über eine App wurden manuell Fotos aufgenommen, die KI erkannte, klassifizierte und zählte die Backwaren.

Masterarbeit mit Praxisbezug

David Bauer, Masterand der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, entwickelte das System entscheidend weiter. In seiner Arbeit baute er eine ausrangierte Hörnchen-Wickelmaschine aus dem Jahr 2011 zur „Semmelzählmaschine“ um. Dabei blieb die Basismaschine erhalten – ergänzt durch eine Zuführung, eine Industriekamera, konstante LED-Beleuchtung und einen Triggermechanismus für gleichmäßige Videoerfassung. Er adaptierte das Semmeldetektor-KI- Modell und schuf die Möglichkeit, mit Videodaten arbeiten zu können – eine Anpassung mit großer Wirkung: Statt einzelner Fotos verarbeitet die KI nun Rückläufer auf dem Förderband und per Video, was eine erhebliche Zeitersparnis bei der Retourenerfassung bringt. Ergänzt wird das System durch Tracking der Backwaren – so erkennt und zählt die KI die Brötchen in Echtzeit. Das Besondere: Die Lösung ist skalierbar und funktioniert auch bei anderen Produkten – mit einfacherem technischem Aufwand sowohl im Handwerk als auch in der Industrie.

Live-Demo begeistert Publikum

Die Gäste im TTZ DI – Fachleute aus Handwerk, IT und Industrie – verfolgten die Live-Demonstration mit großem Interesse. David Bauer zeigte anschaulich den Ablauf: Backwaren einfüllen, Kameraaufnahme, KI-Erkennung und Klassifizierung, Tracking auf dem Band – und am Ende eine präzise Zählung. Das Fazit aus dem Publikum: „Das ist machbar – auch für kleine Betriebe.“ So zeigte sich Peter Müller sehr überzeugt: „Die Rückläuferzählung per Hand war fehleranfällig und zeitaufwändig – jetzt läuft das automatisch. Und mit Blick nach vorn denken wir schon weiter: Verkaufsprognosen, Produktionsplanung, vielleicht sogar ein KI-gesteuerter Selbstbedienungsladen.“ Auch Jürgen Feiler (Bäckerei Feiler, Coburg) brachte es auf den Punkt: „KI schärft das Qualitätsbewusstsein. Wenn Semmeln zu klein gebacken werden, beschweren sich die Kunden und wir verkaufen weniger. Eine Semmel ist keine Semmel, sondern ein Qualitätsprodukt – und Handwerksbäcker wollen besser sein als die Industrie.“ Und Prof. Dr. Tobias Bocklet betonte den Modellcharakter: „Wir haben eine Softwarelösung entwickelt, die mit minimaler Hardware skalierbar ist. Ein Förderband, eine Kamera – mehr braucht es oft nicht. So lässt sich das Prinzip auch auf andere Produktionsprozesse übertragen.“

Praxis, Forschung – und ein kühles Bier

Der KI-Stammtisch ist längst mehr als eine Vortragsreihe: In lockerer Atmosphäre kommen KI-Interessierte aus der Region zusammen, um sich über innovative Anwendungen auszutauschen – praxisnah, verständlich, direkt aus der Region für die Region. Die nächste Veranstaltung findet am 10. Juli 2025 statt und widmet sich dem Thema „KI trifft Produktion – Wie KI unsere Maschinen optimiert“.

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