05.07.2023

Gender-Perspektive und Autosicherheit

Nürnberg, Juli 2023 – Bis zum Dezember 2022 hatte es gedauert: Erst zu diesem Zeitpunkt wurde der erste weibliche Crashtest-Dummy der Öffentlichkeit präsentiert. Und bis die Entwicklung des Teams rund um die schwedische Forscherin Dr. Astrid Linder standardmäßig in Testreihen eingesetzt wird, vergehen sicher noch weitere Monate. Europäische und internationale Test- und Sicherheitsvorschriften schreiben bis heute den klassischen, männlichen Maßen nachempfundenen Crashtest-Dummy vor. Aber das wird kaum in der Öffentlichkeit und auch nicht im Technikjournalismus diskutiert, oder täuscht der Eindruck? Das haben Studierende des Studiengangs Technikjournalismus/Technik-PR im Rahmen des Lehr-/Forschungsprojekts GITJOU (Gender, Innovation und Technikjournalismus) untersucht. Die Ergebnisse ihres Teilforschungsprojekts haben (im Bild v.l.n.r.) Abdülbaki Sürüm, Sümeyra Kara, Aysegül Maraslioglu, Eda Tekin und Yeliz Kacanlar Anfang Juli beim Treffen der Lehr-/Forschungsprojekte der TH Nürnberg präsentiert.

Das Ergebnis zeigt ein differenzierteres Bild als der erste Eindruck vermuten ließe, sie fügen sich aber auch in die Erkenntnisse aus anderen Teilprojekten ein. Die Studierenden hatten Medienberichte im Anschluss an die Präsentation des weiblichen Crashtest-Dummys analysiert und vor allem ausgewertet, ob eher Redakteurinnen das Thema aufgreifen und welche Expert:innen in den Beiträgen befragt wurden. Die untersuchten Beiträge stammten von Zeit online, Spiegel online oder Frankfurter Rundschau bis hin zu Deutschlandfunk Nova oder BBC News oder CNN News, um nur eine Auswahl zu nennen. Entgegen der Annahme war das Geschlechterverhältnis bei der Autorenschaft der Beiträge nahezu ausgewogen und es wurden sogar mehr Expertinnen als Experten in den Beiträgen zitiert, so Yeliz Kacanlar. Die schwedischen Forscherin Linder (im Hintergrund im Bild) betonte im Gespräch mit Eda Tekin allerdings, dass sie sehr selten für Interviews zum neuen Crashtest-Dummy angefragt worden sei. Dabei forscht sie zum erhöhten Verletzungsrisiko von Frauen als Fahrzeuginsassen seit über zehn Jahren und publiziert regelmäßig hierzu. Dies wurde in den untersuchten Beiträgen allerdings nicht erwähnt. Linder sei nach eigenen Angaben zu Beginn ihrer Forschung für ihr Vorhaben eher verspottet worden, berichtet Tekin aus dem Gespräch. Auch Redakteurinnen räumen ein, dass mehr über Genderaspekte in der Technik berichtet werden müsste, fasst Abdülbaki Sürüm zusammen, der mit Julia Koch, Wissenschaftsredakteurin beim Spiegel, und mit Ulla Ellmer, Redakteurin für Auto und Mobilität beim Kicker, zwei Journalistinnen befragen konnte, die selbst über den Crashtest-Dummy „Eva“ berichtet hatte.

Die Ergebnisse des Teilforschungsprojektes werden Ende des Sommersemesters auf www.th-nuernberg.de/innovationskommunikation und die Interviews aus dem Projekt auf dem Studierendenblog www.futurecommunication.de veröffentlicht. Das Projekt GITJOU (Gender, Innovation und Technikjournalismus) wird von Prof. Volker M. Banholzer und Prof. Falko Blask in Abstimmung mit dem Kompetenzzentrum Gender und Diversity (KomGeDi) und dessen Leiterin Prof. Dr. Renate Bitzan verantwortet. Ein einführendes Workingpaper ist hier zu finden.

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