29.10.2018

Wolfgang Mayer im Vortrag über internationale Recherche: Journalisten sind auch nur Menschen

Nürnberg, Oktober 2018 – Instrumentalisierung, goldene Käfige und jede Menge Zeitdruck – internationale Recherche ist ein Abenteuer für sich, das auch für den geübtesten Journalisten immer wieder neue Herausforderungen bereithält. Wolfgang Mayer, ehemaliger Wirtschaftsredakteur der Nürnberger Nachrichten, las und kommentierte am 15. Oktober in einer abendlichen Vorlesung Auszüge aus seinem Buch „Gehetzte Journalisten – Begegnungen im Dauerlauf“, welches sich genau mit diesem Thema befasst.

Nicht nur, dass im Ausland die eigenen Ressourcen sowie Kontakte und Netzwerke begrenzt sind, sondern es mangelt vor allem an der nötigen Zeit, um spontane Recherche zu betreiben, da der Terminplan einer solchen Auslandsreise extrem vollgepackt ist. Natürlich ist die potenzielle Gefahr, welche Einsätze vor allem Krisengebieten mit sich bringen, nicht zu vernachlässigen, wie uns der Gastdozent am Beispiel von Bagdad veranschaulichte.

Das Gefühl, in einem Flugzeug zu landen, das möglicherweise Ziel eines Raketenbeschusses sein könnte und danach mit einer Militäreskorte in das Hotel geleitet zu werden, ist wohl ein Gefühl, an das sich selbst routinierte Auslandsberichterstatter nie so wirklich gewöhnen dürften.

Neben diesen ernsten, aber auch spannenden Geschichten hatte Mayer aber natürlich auch positive Dinge zum Thema zu sagen: Der größte Vorteil, erklärte er, liege darin, dass ein Journalist, der vor Ort recherchiert trotz Zeitdruck immer noch zuverlässiger und interessanter wirkt als jemand, der ausschließlich vom heimischen Redaktionsschreibtisch berichtet. Oft genug geben überengagierte Lokalredakteure ihre Meinungen über aktuelle Situationen eines Landes ab, welches sie das letzte Mal vor einem Jahrzehnt besucht haben und dementsprechend nicht mehr auf dem neuesten Stand sein können – außer die Kollegen vor Ort berichten ihnen davon.

Nicht zu vergessen sind die Gelegenheiten, seltene und begehrte Wertgegenstände auf seinen Reisen zu bergen. So erzählte unser Gastdozent, er bereue es, auf einer Reise 1988 nach Beijing mit einer chinesischen Fluggesellschaft nicht eine der Kotz-Tüten mitgenommen zu haben, da die Airline kurze Zeit später aufgelöst wurde und besagte Tüten in einem dreistelligen Euro-Bereich unter Sammlern herumgingen.

Die Ambition und Neugierde, die Wahrheit zu finden, sollte man bis zu einer bestimmten Grenze verfolgen, ob diese nun moralisch oder physisch ist. Wo diese Grenze jedoch liegt, das muss der Journalist für sich selbst entscheiden, so interpretierten wir jedenfalls Mayers Schlussworte. Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Journalisten sind auch nur Menschen.“ Das wird in seinem Buch mehr als deutlich.

Yakov Shikmanov/Raphael Trüdinger

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