Sensibilisierung pädagogischer Fachkräfte für die Bedürfnisse von Kindern von Inhaftierten

Die Inhaftierung eines Elternteils ist für Kinder zumeist eine einschneidende Erfahrung, die potenziell den Entwicklungsprozess negativ beeinflusst und die sozialen Teilhabechancen limitiert. Beispielsweise geht diese Lebenserfahrung für viele Kinder mit Scham und Stigmatisierung einher. Dieser Stress kann durch die Ausgrenzung durch Mitschülerinnen oder Vorurteile der Lehrer verstärkt werden. Verstärkt wird diese soziale Benachteiligung auch durch das Strafrechts- und Vollzugssystem, in dem vor allem die verurteilte Person fokussiert wird und weniger dessen soziales Umfeld. Da in bayerischen Gefängnissen vollzugsöffnende Maßnahmen vergleichsweise restriktiv gewährt werden, sind Kinder mit den eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten dort besonders betroffen. Schätzungen gehen von bis zu 100.000 Kindern Inhaftierter bundesweit jährlich aus, von denen viele minderjährig sind.

Ausgangslage

Trotzdem wurden die Lebenslagen solcher Kinder bisher unzureichend erforscht und Daten werden nicht systematisch erhoben. Auch wenn in den letzten Jahren vielversprechende Praxisprojekte entwickelt wurden, erreicht das Thema nur wenig wissenschaftliches, öffentliches und politisches Interesse. Unverschuldet Mitbetroffene sind somit Stand jetzt eine kaum wahrgenommene Bedarfsgruppe.

Projektziele:

Das geplante Vorhaben setzt an dieser Stelle an und möchte dabei helfen, die Wissenslücke in Hinblick auf die Folgen der Inhaftierung eines Elternteils für die Kinder sichtbar zu machen und die spezifischen Hilfebedarfe zu identifizieren. Dabei möchte das Projekt auf empirischer Grundlage ein E-Learning-Angebot für (sozial)pädagogische Fachkräfte in öffentlichen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gestalten, um sie für die Lebenslagen betroffener Kinder zu sensibilisieren und auf einen angemessenen Umgang mit ihnen vorzubereiten. Die innovative Idee der Forschung besteht darin, einen Prozess des Wissenstransfers zu initiieren, in dem das durch die Forschung gewonnene Wissen für die Praxis übersetzt und schrittweise in ein E-Learning-Tool für pädagogische Fachkräfte transformiert wird.

Projektaufbau:

Das Forschungsprojekt ist in vier verschiedene Phasen eingeteilt. Im ersten Teil wird der problembezogene Wissensbestand systematisch aufbereitet. Durch eine systematische Literaturanalyse zu den Bedarfen von und Auswirkungen auf Kinder von Inhaftierten werden zunächst erste Forschungshypothesen formuliert. In einem zweiten Schritt werden die Ausgrenzungserfahrungen von den Kindern in öffentlichen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen mit Hilfe von qualitativen Methoden untersucht. Mit dem sozialen Umfeld des Kindes, das heißt dem nicht-inhaftierten Elternteil, pädagogischen Fachkräften und Vertreterinnen von außerschulischen Bildungseinrichtungen werden problemzentrierte Interviews geführt. Dabei nimmt die Schulsozialarbeit eine zentrale Rolle ein, da sie für die Themen Ausgrenzung und Stigmatisierung fachlich geeignet erscheint. Im nächsten Schritt soll ein E-Learning-Angebot für sozialpädagogische Fachkräfte entwickelt werden. In Zusammenarbeit mit dem Institut für E-Beratung der TH Nürnberg werden die Erkenntnisse der empirischen Untersuchungen zusammengetragen, um dadurch ein evidenzbasiertes E-Learning-Angebot zu entwickeln, das von pädagogischen Fachkräften genutzt werden kann. Schließlich kann dieses Angebot bedarfsweise erweitert und in bestehende Lern-Managementsysteme integriert werden. Um ein möglichst nachhaltiges und passgenaues Ergebnis zu entwickeln, wird das E-Learning-System abschließend evaluiert und an die Zielgruppen angepasst.

Bayerisches Staastministerium für Wissenschaft und Kunst