Das Projekt InnoReSt gliedert sich in die drei wichtigen Teilbereiche der Modellbildung - zur mathematischen Charakterisierung der Systemdynamik - der Parameterschätzung - zur Beschaffung unbekannter oder unsicherer Systemparameter - sowie der Regelung selbiger Anlagen - zum modellbasierten Entwurf geeigneter Druckregelungen für fluidfördernde Systeme.

Motivation

Fluidfördertechnik besitzt ein breites Einsatzspektrum. Anlagen zur Fluidförderung finden sich immer im Bereich der Chemie- und Pharmaindustrie, der Lebensmittelbranche sowie im privaten Haushalt bei Sanitär- und Heizungsanlagen. Im öffentlichen Bereich werden Fluidförderanlagen in Schwimmbädern oder der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eigesetzt. Fluidförderanlagen bestehen daher immer aus einer Kombination aus Rohrleitungen, Ventilen und den jeweils notwendigen Pumpen mit Motor und entsprechender Ansteuerung. Basierend auf statistischen Erhebungen zum Energiebedarf von Kreiselpumpen in der EU, welcher ca. 117.000 TWh pro Jahr beträgt, lässt sich hochrechnen, dass der Anteil der in der EU verbauten Kreiselpumpen ca. 73 % aller Pumpen in der EU beträgt. Alle Pumpen zusammen benötigen etwa 20 % der gesamten elektrischen Energie für ihre Motoren. Kreiselpumpen sind damit der am häufigsten eingesetzte Pumpentyp in der EU und vermutlich auch weltweit, weshalb das mittels optimierter Automatisierungstechnik zu hebende Potenzial nicht unerheblich ist. Dabei fallen die meisten regelungstechnischen Anwendungen auf die Regelung des Durchflusses mit 39 % und jeweils 20 % auf Druck- und Füllstandsregelungen. Die restlichen Regelungsaufgaben fallen auf Temperaturanwendungen (19 %) und sonstige Anwendungen (2 %).

Um in solchen dynamischen Fluidförderanlagen einen gewünschten Systemsolldruck halten zu können, ist es notwendig, den Frequenzumrichtern, mit denen die Pumpen betrieben werden, die hierfür erforderlichen Drehzahlen vorzugeben. Übliche Regelverfahren im technischen Bereich in den eingebauten Steuereinheiten verwenden dafür eine Kombination aus einem empirisch parametrierten PI-Regler (Proportional-Integral- Regler) und einer umfangreich überlagerten Steuerlogik. Viele technische Produkte zur Druckregelung basieren auf der Verwendung konkret im System hinterlegter Pumpenkennlinien, welche aber realen Abweichungen unterliegen. Zudem ist die Kennlinie einer Anlage, im Umfeld derer solche Produkte eingesetzt werden, selten bekannt, lässt sich meistens nicht beschaffen oder liefert nur sehr ungenaue Zusammenhänge. Kennlinien geben außerdem nur statische Zusammenhänge, aber keine dynamischen Vorgänge wieder. Für eine optimale und vor allem auch energieeffiziente Regelung ist das Berücksichtigen der Systemdynamik jedoch entscheidend.

Die in der Abbildung dargestellte idealisierte Kurve zeigt beispielhaft die kritischen Bereiche innerhalb einer Fluidförderanlage. Wird in der Anlage ein Ventil geöffnet, so kommt es zunächst rasch zu einem Druckabfall, welcher durch ein schnelles, aber effektives Anlaufen der Pumpen kompensiert werden muss, sodass einerseits ein schneller, aber nicht überschwingender Druckausgleich stattfindet. Energieeffizienz und Regelqualität stehen hierbei im Vordergrund. Durch sich schließende Ventile wird im Fluidfördersystem eine Drucküberhöhung erzeugt, welcher durch schnelles Abschalten bzw. Runterregeln der Pumpendrehzahl entgegengewirkt werden muss. Dauert dieser Vorgang zu lange, so geht hier zwangsweise eine gewisse Energieverschwendung mit einher, welche durch eine intelligente Steuerstrategie vermieden werden kann.

Ziele

Das Kernziel des Projektes InnoReSt ist die Entwicklung neuartiger Methoden zur Modellbildung und lernenden Zustandsregelung von Fluidfördersystemen. Dieses Ziel untergliedert sich in vier Nebenzielthemen, welche die nachfolgende Abbildung veranschau- lichen soll.

Innovationscharakter

Um die definierten Ziele erreichen und so die Ausgangssituation verbessern zu können, liegt die Kerninnovation dieses Projektes in der Entwicklung einer neuartigen Regelstrategie, welche im Bereich der Druckerhöhungsanlagen so noch nicht angewandt wird. Diese Strategie basiert nicht auf empirischen Einstell- und Steuerungsverfahren, sondern verwendet ein auf physikalischen Gleichungen erstelltes Modell, aus welchem sich entsprechende Verhaltensvorgaben bei unterschiedlichen Lastfällen ableiten lassen. Die Innovationen bei der Verwendung eines speziellen Regelalgorithmus für Druckerhöhungsanlagen mit aktiver Einbindung modellierter Systemkenntnisse im Vergleich zu einem empirisch eingestellten PI-Regler ohne Systemkenntnis sind folgende:

Wissenschaftlich

  • Stabile und zuverlässige Online-Systemcharakterisierung von zeitvarianten bzw. strukturvariablen Fluidfördersystemen mittels neuartiger Lernmethoden für solche Systeme
  • Automatische Modell- als auch Reglerparameteradaption (Mitlernen der Regelung) unter Berücksichtigung und Kompensation auftretender Lastfälle
  • Selbstständige Reglerinitialisierung (Autotuning) aufgrund adaptiver Methoden als Unterstützung einer händischen Initialisierung durch Fachpersonal
  • Zuverlässige Druckregelung sehr schwach gedämpfter, schnell reagierender Fluidfördersysteme

Technisch

  • (Erstmalige) Anwendung eines neuartigen Reglerkonzeptes auf Druckerhöhungsanlagen unter Berücksichtigung und Kompensation auftretender Lastfälle zur Reduktion von reglerinitiiertem Schwingungsverhalten
  • Verbesserung der Regelqualität und damit der Stabilität des Druckes und der Wasserversorgung durch Kompensation nichtlinearer Dynamikeffekte

Projektkonsortium

Das Projektkonsortium bildet ein Dreiergespann aus den beiden wissenschaftlichen Einrichtungen des Nuremberg Campus of Technology der TH Nürnberg und des Lehrstuhls Regelungstechnik der FAU Erlangen-Nürnberg sowie der SPECK Pumpen Verkaufsgesellschaft GmbH als industriellen Partner. Gemeinsam soll ein neuartiges Reglerkonzept für fluidfördernde Anlagen entworfen werden, welches sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praktisch relevant ist und somit angewandt und weiterentwickelt werden kann.

Versuchsanlage

Die Firma SPECK Pumpen stellt speziell für dieses Projekt einen eigens entwickelten Versuchsstand auf ihrem Firmengelände zur Verfügung. Dieser Versuchsstand untergliedert sich in drei Grundbestandteile, einen 3000 l fassenden Wassertank, eine Druckerhöhungsanlage sowie ein 12 m hohes Rohrleitungssystem. Diese Rohrleitungsanlage repräsentiert hierbei ein beispielhaftes Mehrfamilienhaus mit verschiedenartigen ventilgesteuerten Abflüssen in unterschiedlichen Höhen, sodass gezielt Druckabfall im System real simuliert werden kann. Der Druckerhöhungsanlage kommt somit die Aufgabe des Ausgleichs des entstandenen Druckabfalls zu, indem basierend auf neuartigen Reglerstrukturen die Pumpen dieser Anlage so angesteuert werden, dass ein vorgegebener Solldruck möglichst gut gehalten wird.

Förderung

Das Projekt InnoReSt wird durch die Bayerische Forschungsstiftung finanziert.

Ansprechpartner

Name Kontakt
Florian Goppelt-Schneider Florian Goppelt-Schneider
M.Eng.