Mit dem Projekt MMKFlexSi wird ein auf natürlicher Kommunikation basiertes System zur Mensch-Roboter-Interaktion für kollaborierende Robotersysteme (MRK bzw. Cobots) entwickelt und erforscht. Die Anwendung des angestrebten Systems sind MRK-Anwendungen in der Montage und Handhabung hochwertiger mechatronischer Komponenten mit kleinen Losgrößen. Mittels bidirektionaler, multimodaler Kommunikation und Interaktion soll die Programmierung und Einrichtung des Robotersystems vor der Inbetriebnahme vereinfacht und die Interaktion zwischen Roboter und Mensch während des Betriebs stetig verbessert werden.

Motivation

Die Herstellung qualitativ hochwertiger mechatronischer Produkte in kleinen Losgrößen und mit hohem Variantenreichtum ist typisch für bayerische mittelständische Unternehmen. Regionale Unternehmen müssen auf Individualisierungswünsche ihrer Kunden schnell und hoch flexibel reagieren können, um wettbewerbsfähig zu handeln. Nur so können sie sich im internationalen Wettbewerb behaupten.

Bei kleinen Losgrößen und hohem Variantenreichtum bzw. bei individualisierten Produkten lohnt sich oft der hohe Aufwand einer Programmierung von Robotersystemen sowie der Aufwand zur Einrichtung und Umrüstung einer Montagezelle nicht. Entsprechend werden heutzutage noch große Anteile der Montage- und Fertigungsarbeiten manuell durchgeführt. Mit diesem geringen Grad an Automatisierung ist ein Betrieb am Produktionsstandort Bayern aufgrund der hohen Personalkosten, trotz qualitativer Vorteile und höherer Flexibilität langfristig nicht wettbewerbsfähig.

Durch eine flexible Kombination von Cobots und Arbeitskräften kann die Effizienz der Montage signifikant gesteigert werden. Hierzu muss jedoch der Aufwand bei der Programmierung und der Einrichtung bzw. Umrüstung noch reduziert werden. Ein weiteres Hemmnis für den Einsatz von MRK-Anwendungen ist die Sicherheit solcher Systeme für den mit ihnen interagierenden Personal, welche weiterhin als unzureichend eingestuft ist. Ebenso hinderlich ist das derzeit geringe Vertrauen sowie die Akzeptanz von Arbeitskräften im Hinblick auf eine direkte Zusammenarbeit mit solchen Robotersystemen. 

Ziele

Das Kernziel des Projektes MMKFlexSi ist die Entwicklung eines flexiblen Systems zur Mensch-Roboter Interaktion für kollaborierende Robotersysteme. Aufbauend auf dem bereits abgeschlossenem Projekt AdhocMRK sollen neben Bewegungsgrundfunktionen sogenannte Kommunikationsgrundfunktionen erforscht und entwickelt werden, um die hohe Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit bzw. Akzeptanz des Systems bei den Werkern zu erreichen. Die übergeordneten Ziele des Projektes lassen sich in technische und wissenschaftliche Ziele aufteilen, welche die nachfolgende Abbildung zeigt: 

Technische Ziele

  • Realisierung einer bidirektionalen multimodalen Kommunikation
  • Entwicklung von Kommunikationsgrundfunktionen zur Steigerung der Intuition
  • Kein zusätzliches Equipment wie Sensorhandschuhe oder Eyetracking-Brillen

Wissenschaftliche Ziele

  • Nutzerzentrierte Arbeitsplatzgestaltung zur Erhöhung der Akzeptanz und des Veränderungsprozesses selbst
  • Abstimmung der Bewegungs- und Kommunikationsmuster zur Erhöhung der Sicherheit
  • Steigerung der Effizienz bei der Zusammenarbeit

Use Cases

  1. Erstellung des Roboterprogramms aus Grundfunktionen
  2. Einrichtung des Robotersystems an einem dedizierten Arbeitsplatz
  3. Unterstützung der Kommunikation während des Betriebes des Roboter

Innovationscharakter

Die zentrale wissenschaftlich-technische Innovation im Rahmen des Projekts MMKFlexSi besteht darin, dass zum ersten Mal multimodale Mensch-Maschinen-Interaktion in einem industriellen Umfeld für MRK-Anwendungen genutzt wird. Existierende Lösungen bzw. Forschungsarbeiten verwenden entweder eine einfache Form der Kommunikation oder befinden sich auf einem sehr viel niedrigeren Technologiereifegrad und schaffen noch nicht den Sprung aus dem Labor in die industrielle Verwertung.

Durch den Einsatz sogenannter Kommunikationsgrundfunktionen in Verbindung mit den Bewegungsgrundfunktionen entsteht ein neues Baukastensystem, welches nicht nur zur Abbildung der Bewegung des Roboters eingesetzt wird, sondern auch für die Interaktion zwischen Mensch und Roboter. Damit entsteht ein hoher Grad an Flexibilität bei der Erstellung eines neuen Roboterprogramms für unterschiedlichste industrielle Arbeitsplätze.

Des Weiteren sollen durch das entwickelte System Personal in die Lage versetzt werden, ein Robotersystem mit einem Cobot zu programmieren, einzurichten und bedienen zu können. Um dies zu realisieren, werden die Methoden der Usability nach der DIN EN ISO 9241-11 und der nutzerzentrierte Entwicklungsansatz zum Entwurf von MRK-Zellen inklusive Interaktion angewandt. Mit der Durchführung von Benutzungstest und Kontextinterviews wird identifiziert, in welcher Situation und welche Art der Kommunikation, inklusive Feedback, benötigt wird. Damit wird ein multimodaler, bidirektionaler Dialog zwischen Mensch und Roboter erzeugt, welcher die natürlichsprachliche Schnittstelle der Mensch-Roboter-Interaktion hervorhebt. Es existieren keine vergleichbaren Systeme, sodass der internationale Stand der Wissenschaft und Technik mit diesem System deutlich übertroffen wird.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nat%C3%BCrlichsprachliche_Schnittstelle#:~:text=Ein%20nat%C3%BCrlichsprachliches%20Interface%20(NLI)%20ist,geschriebener%20Sprache%20als%20Eingabemodalit%C3%A4t%20unterschieden.

Durch die bidirektionale, natürliche Kommunikation können gegenseitige Anweisungen sowohl vom Werker als auch vom Roboter getätigt werden. Mithilfe eines ausgeprägten Feedbacks vom Roboter können beispielsweise auch im Fehlerfall klare und verständliche Anweisungen an Menschen weitergegeben werden, was dieser als nächstes tun soll. Damit sind auch Mitarbeitende, ohne Hilfe von fachspezifischen Personal, in der Lage selbstständig Fehler zu beheben. Somit entsteht eine situative Kommunikation für die Übermittlung von Anweisungen an beide Kommunikationspartner. Außerdem kann diese Bidirektionalität für die Einrichtung der Roboterzelle, Korrekturen im Programmablauf, Sicherheitsrückmeldungen oder sonstige Statusmeldungen genutzt werden. Dadurch entsteht eine bislang nicht existente Vereinfachung des Umgangs mit Cobots. Diese werden somit zu Werkzeugen, die von allen Mitarbeitenden selbständig nach Bedarf flexibel genutzt werden können.

Projektkonsortium

Das Projektkonsortium besteht aus der wissenschaftlichen Einrichtungen des Nuremberg Campus of Technology und der DEHN SE + Co. KG als industriellen Partner. Gemeinsam soll ein auf natürliche Kommunikation basiertes System zur Mensch-Roboter-Interaktion für kollaborierende Robotersysteme entwickelt werden. 

Versuchsstand

Der Versuchsstand setzt auf der bereits gebauten ortsflexiblen Roboterzelle aus dem Projekt AdhocMRK auf. Diese wird mit weiterer Sensorik und Aktuatoren ausgestattet und unter Laborbedingungen getestet. Nach umfangreichen Tests werden die Ergebnisse an DEHN übergeben, sodass diese einen Demonstrator aufbauen können.

Förderung

Das Projekt MMKFlexSi wird durch das Bayerische Verbundforschungsprogramm (BayVFP) des Freistaats Bayerns aus der Förderlinie Digitalisierung finanziert.

Mobile Roboterzelle