VIBN-ProzI – Virtuelle Inbetriebnahme in der Prozessindustrie

Im Projekt VIBN-ProzI wird in Zusammenarbeit mit der machineering GmbH & Co. KG und der planemos GmbH ein Softwaretool für die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) erweitert. Das von machineering bereits vertriebene ”industrialPhysics” soll um den Einsatz in der Prozesstechnik ergänzt werden. Die Erweiterung soll in der Lage sein, transiente Ereignisse in einer prozesstechnischen Anlage simulieren zu können. Hierbei muss ein geeignetes Verfahren gewählt werden, welche die Anlage ausreichend gut, während der Rechenaufwand möglichst gering gehalten wird. Die Software soll zum einen das Planen und Entwerfen einer Anlage erleichtern und deren Verhalten in der Planungsphase vorhersagen können, zum anderen als digitaler Zwilling während der Betriebsphase mit der realen Anlage im Austausch stehen und diese überwachen. Ein digitaler Zwilling (DZ) ist das Abbild des physischen ’Assets’ einer realen Anlage und erlaubt dessen Simulation, Steuerung und Verbesserung.

Motivation

Die Erstellung von Anlagenmodellen ist ein aufwendiger, zeit- und kostenintensiver Prozess. Entwicklungszeiten von mehreren Monaten für ein Modell sind keine Seltenheiten und stehen den erwarteten Vorteilen aus der Nutzung eines digitalen Zwillings. Dies steht der Einführung von digitalen Zwillingen, virtueller Inbetriebnahme und datengetriebenen Geschäftsmodellen in der Prozesstechnik im Weg. Der Aufwand für die Erstellung der Modelle muss verringert werden.

In Forschung und Technik wurden bereits verschiedene Konzepte für eine automatisierte Generierung von Modellen entwickelt und erforscht. Die hieraus hervorgegangenen Systeme sind jedoch in der Regel sehr anwendungsspezifisch und oft schwer zugänglich. Zur effizienten Nutzung von digitalen Zwillingen in der Prozesstechnik muss deren Erstellung und Bedienung deutlich vereinfacht werden. Detaillierungsgrad und Modelltiefe stellen hierbei eine große Bedeutung für den Modellierungsaufwand dar. Konkret stellt sich die Frage wie genau ein Modell oder eine Simulation dem Verhalten der realen Anlage entsprechen muss. Die Detailtiefe der Modelle muss den Anforderungen der Anwendungsfälle entsprechen. Dabei kann die Modelltiefe von einer einfachen logischen Verknüpfung bis zu einer aufwändigen 3D-Fluidsimulation reichen. Mit zunehmender Modelltiefe steigt der Erstellungsaufwand deutlich.

Zudem wird das Konzept des digitalen Zwillings und der virtuellen Inbetriebnahme in der Prozessindustrie nur langsam umgesetzt. Die Fertigungstechnik ist diesbezüglich schon weiter fortgeschritten. Ziel der Digitalisierung ist er, Prozesse/Produktion datengetrieben zu verbessern. Neuartige Technologien wie Simulation und DZ helfen, dies umzusetzen.

Grundlegendes Lösungskonzept des Simulationstools

Ziele

In diesem Projekt wird ein Softwaresystem entwickelt, welches den Aufbau eines DZ einer prozesstechnischen Anlage aus grundlegenden Anlagedaten ermöglicht. Durch das Softwaretool kann der DZ in verschiedenen Nutzungsszenarien entlang der Lebenszyklusphasen einer Anlage genutzt werden. Hierzu muss das Erstellen des digitalen Zwillings signifikant vereinfacht und erleichtert werden.

In den Frühen Phasen der Entwicklung ist ein sehr allgemeines und konzeptionelles Modell ausreichend. Von diesem Ursprungsmodell ausgehend wird der Detaillierungsgrad immer mehr verfeinert und genauer bis es als digitaler Zwilling dem Verhalten der realen Anlage zufriedenstellend genau entspricht. Dieses Konzept verfolgt noch kein auf dem Markt erhältliches Produkt.

Es wird eine Simulationstool für 1D-Simulation des Rohrleitungsnetzes erstellt. Behälter, Apparate, Ventile oder Pumpen sind dabei Black-Boxen welche mit Verhaltensdaten beschrieben werden. Diese Detaillierung beschreibt einen optimalen Punkt aus Simulationsgenauigkeit und Modellierungsaufwand bei prozesstechnischen Anlagen. Es ist perfekt für die meisten Anwendungsfälle in der Prozessindustrie geeignet. Wir wollen mit diesem Projekt unterstützend Eingreifen den Rückstand zur Fertigungstechnik zu minimieren. Die Prozessindustrie, dessen Gesamtumsatz in Deutschland unter zusammennahmen der chemischen, pharmazeutischen, petrochemischen, Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie Wasser- und Energiewirtschaft den volkswirtschaftlich so wichtigen Kraftfahrzeugbau bei weitem übersteigt, wird dadurch langfristig in Bayern und Deutschland zu gestärkt.

Innovationscharakter

Der innovative Kern besteht in der Erstellung eines Softwaresystems, welches über den gesamten Lebenszyklus der Anlage eingesetzt werden kann. Die Modellierungstiefe wird dabei im Laufe der Nutzung über die Phasen des Lebenszyklus der simulierten Anlage kontinuierlich tiefer. Die Simulationen und Modelle werden dem realen Zwilling hierdurch immer ähnlicher. Dies ermöglicht das evolutionäre Weiterentwickeln von dem ersten Mockup bis zu einem vollwertigen digitalen Zwilling. Diesen Ansatz verfolgt die machineering GmbH auch bei deren kommerziell erfolgreichem Simulationssoftware "industrialPhysics". Heute existierende Systeme sind alle durchwegs auf eine Phase des Lebenszyklus, meist die virtuelle Inbetriebnahme oder das frühe Engineering, beschränkt.

Als weiterer Aspekt soll das Lösungskonzept nicht nur einfache Flussnetze mit newtonschen Flüssigkeiten, sondern auch Wärmeübertragung, Gase, Kompressibilität, Phasenwechsel, Stoffumwandlungen, Stofftrennung und chemische Reaktionen berechnen können. Dies stellt eine deutliche Weiterentwicklung des Stands der Technik im Vergleich zu aktuell am Markt erhältlichen Produkten dar. Dabei soll die Bedienung einfach und intuitiv gehalten werden um den Einsatz für nicht akademisches und anwendungsorientiertes Personal über alle Gewerke zu ermöglichen.

Zugleich haben sich keine verbreiteten Standards entwickelt, die den Austausch von Simulationen zwischen den bereits existierenden Systemen ermöglichen. Ähnliches war auch in den Feldbus-Kriegen für einen einheitlichen Feldbus in der Automatisierungstechnik oder bei CAD-Austauschformaten zu beobachten.

Projektkonsortium

Das Projektkonsortium besteht aus der wissenschaftlichen Einrichtungen des Nuremberg Campus of Technology sowie der machineering GmbH & Co. KG und der planemos GmbH als industrielle Partner.
Gemeinsam soll ein Simulationssystem für die modellgestützte Systementwicklung und virtuelle Inbetriebnahme in der Prozessindustrie entwickelt werden.

Förderung

Das Projekt VIBN-ProzI wird durch das Bayerische Verbundforschungsprogramm (BayVFP) des Freistaates Bayern aus der Förderlinie "Digitalisierung" finanziert.