Effiziente Automatisierung – Modellbildung und Regelungstechnik

Im industriellen Umfeld werden Kreiselpumpensysteme üblicherweise anhand ihrer H-Q-Kennlinien charakterisiert, um so den entsprechenden Betriebspunkt (Arbeitspunkt: AP) berechnen zu können (vgl. Abb. 1). Es ist jedoch so, dass ebensolche Kennlinien lediglich für den stationären Fall, also den eingeschwungenen Ruhezustand des Systems, gelten. Dennoch können sich auch bei der Berechnung der stationären Punkte im realen Pumpensystem erhebliche Abweichungen zu den vom Hersteller je Pumpe mitgelieferten Kennlinien ergeben. Dies liegt einerseits darin begründet, dass die Pumpen beim Hersteller unter definierten Idealbedingungen vermessen werden und gemäß der Norm DIN EN ISO 9906 bis zu 10 % von dieser „Ideallinie“ abweichen dürfen (vgl. Abb. 2). Andererseits ist der Verlauf der Anlagenkennlinie nur unzureichend genau bekannt und kann zudem durch äußere Einflüsse sowie innere Zustände auf das Kreiselpumpensystem deutlich variieren. Sowohl Pumpen- als auch Anlagenkennlinie sind somit in der Realität nicht vollkommen quantifizierbar.

Pumpenkennlinienfeld im Zusammenspiel mit den Anlagenkennlinien
Abbildung 1: Pumpenkennlinienfeld im Zusammenspiel mit den Anlagenkennlinien

 

Pumpenkennlinienfeld mit Toleranzband
Abbildung 2: Pumpenkennlinienfeld

 

Diese Umstände motivieren zu einer dynamischen Modellbildung im Sinne der Systemtheorie. Hierfür ist ein mathematisches Modell mithilfe von Differentialgleichungen so zu entwerfen, dass im stationären Zustand des Systems rechnerisch der Betriebspunkt zwischen Kreiselpumpe und Anlage resultiert. Für den Versuchsstand in Abb. 3, bestehend aus zwei Kreiselpumpen mit angeschlossenem Rohrleitungssystem, wird ein solches systemtheoretisches Modell entwickelt – zunächst nur für eine Kreiselpumpe mit angeschlossener Rohrleitung. Beide Kreiselpumpen lassen sich im stationären Fall jeweils mithilfe einer quadratischen Kennlinie charakterisieren (vgl. Abb. 2).

Pumpenversuchsstand am NCT
Abbildung 3: Versuchsstand zur Verifizierung des Modells

Systemtheoretisch gesehen lassen sich elektrische, mechanische, pneumatische, thermische und hydraulische Systeme stets mithilfe der charakterisierenden physikalischen Größen Widerstand, Induktivität und Kapazität modellieren. Diese Größen sind in fast jedem Bereich der Physik zu finden und werden bei reduzierten, zusammengefassten Modellen als sogenannte konzentrierte Parameter bezeichnet. Im hydraulischen Bereich lässt sich ein solches Modell sinnvoll mittels elektrohydraulischer Analogien entwerfen, d. h. der Druck p entspricht der elektrischen Spannung u und der Volumenstrom Q analog hierzu dem elektrischen Strom i. Die konzentrierten Parameter können folglich als hydraulischer Widerstand, hydraulische Induktivität sowie hydraulische Kapazität bezeichnet werden. Allgemein stellen Druck bzw. Spannung sogenannte Potentialgrößen und Volumenstrom und Strom dementsprechend Flussgrößen dar.

Das notwendige Technologieschema des Versuchsstandes in Abb. 3 zur Entwicklung des Modells ist in der nachfolgenden Abb. 4 dargestellt. Wird nur die Druckseite der Kreiselpumpe betrachtet, so ergeben sich als mögliche ausgangsseitige Messgrößen der Druck p2 nach der Kreiselpumpe oder der Anlagendruck pA irgendwo im Rohrleitungssystem. Da in der Praxis oftmals nur der Druck als Messgröße und nicht der Volumenstrom zu Verfügung steht, soll dies hier auch so gehandhabt werden. Als Eingangsgröße wird die Kreisfrequenz ω des Motors bzw. der Kreiselpumpe definiert, welche messtechnisch entweder per Messwelle oder über den Frequenzumrichter ermittelt wird.

Technologieschema des Pumpenversuchsstandes
Abbildung 4: Technologieschema des Pumpenversuchsstandes

Das mathematische Modell des Kreiselpumpensystems aus Abb. 4 ist als Blockschaltbild in Abb. 5 dargestellt. Hierbei modellieren die dunkelblauen Blöcke die Dynamik der Kreiselpumpe, wohingegen alle weiteren Blöcke das Rohrleitungssystem kennzeichnen. Anschaulich lässt sich diese systemtheoretische Struktur wie folgt erklären.

Blockschaltbild des Kreiselpumpensystems
Abbildung 5: Blockschaltbild des Kreiselpumpensystems

Das System „Kreiselpumpe“ wird durch seine Eingangsgröße ω und seine Ausgangsgröße p abgegrenzt. Selbiger Druck p dient dem System „Rohrleitung“ als Eingang, wobei das Rohrleitungssystem selbst aus zwei Teilsystemen besteht. Die erste Ausgangsgröße ist der Anlagendruck pA, welcher den ersten Teil abschließt. Dieser bildet die Eingangsgröße des zweiten Systemteils, welcher denjenigen Rohrleitungsabschnitt darstellt, der das Wasser nach dem Anlagendrucksensor in den oberen Tank befördert. Hier herrscht wiederum Atmosphärendruck pa, auf welchen alle Druckmessungen bezogen werden. Somit arbeitet das Modell mit Relativdrücken.

Im Blockschaltbild sind die konzentrierten Parameter R, L und C der jeweiligen Teilsysteme eindeutig ersichtlich. Alle drei Teilsysteme beinhalten jeweils einen quadratisch nichtlinearen Anteil, welcher als nichtlinearer Widerstandsanteil bezeichnet wird. Innerhalb des Kreiselpumpensystemteils existiert zudem noch ein bilinearer Anteil (Multiplikation der Eingangsgröße ω mit der Zustandsgröße Q), welcher einen zusätzlichen Widerstandsanteil einbringt.

In Anlehnung an die bereits erwähnte elektrohydraulische Analogie, lässt sich das Blockschaltbild anschaulich auch als elektrisches Ersatzschaltbild mit nichtlinearen Widerständen darstellen (vgl. Abb. 6).

Elektrohydraulisches Ersatzschaltbild des Kreiselpumpensystems
Abbildung 6: Elektrohydraulisches Ersatzschaltbild des Kreiselpumpensystems

Für hydraulische Induktivitäten kann formelmäßig folgender Zusammenhang angegeben werden: L = m/A²

Entsprechend lassen sich hydraulische Kapazitäten wie folgt beschreiben: C = Vβ.

In den beiden obigen Gleichungen steht m für die Fluidmasse im betrachteten Systemteil, A für eine rechnerische Querschnittsfläche, V entsprechend für das Volumen innerhalb dieses Bereiches und β charakterisiert die Kompressibilität des verwendeten Fluides. Das dem Blockschaltbild zugrunde liegende Differentialgleichungssystem resultiert zu:

 

Es wird davon ausgegangen, dass nur die nichtlineare Struktur des Differentialgleichungssystems bekannt ist, die konzentrierten Parameter hingegen nicht quantifiziert werden können. Eine einmalige Identifikation würde lediglich für einen gewissen Arbeitsbereich zufriedenstellend sein, da die Parameter stark abhängig von der Temperatur, vom Medium selbst, sowie von Arbeitspunktänderungen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass der Volumenstrom nur innerhalb einer Initialisierungsmessung gemessen werden könnte. Im laufenden Anlagenbetrieb wird dieser jedoch als unbekannt angenommen.

Arbeitspunktlinearisierung des Kreiselpumpensystems
Abbildung 7: Arbeitspunktlinearisierung des Kreiselpumpensystems

Ein erster Ansatz zur Erlangung eines einfachen Übertragungsverhaltens, in Form einer Laplace-Übertragungsfunktion, von der Kreisfrequenz ω zum Anlagendruck pA lässt sich mittels einer Arbeitspunktlinearisierung realisieren. In Abb. 7 ist dies anschaulich dargestellt. Dabei ist festzuhalten, dass innerhalb dieses Arbeitsbereiches ein gewisser Fehler in der Linearisierung gemacht wird.

Als einfache, reduzierte Laplace-Übertragungsfunktion lässt sich, basierend auf empirischen Zusammenhängen und abgeleitet aus dem zugrunde liegenden Differentialgleichungssystem, folgende Übertragungsstruktur zwischen ω und pA angeben:

 

In der Theorie stellen die unbekannten Parameter ai und bi Funktionen der konzentrierten Parameter R, L und C dar.

Die hier kompakt aufgezeigte Modellbildung für einfache Kreiselpumpensysteme hat mehrere angestrebte Zielsetzungen vor Augen:

  • Schätzung von variierenden Betriebspunkten in Kreiselpumpensystemen
  • Schätzung von variierenden Kennlinien
  • Schätzung von variierenden Parametern bzw. Parameteränderungen
  • Entwurf von robusten Reglerstrukturen für Druck-, Volumen- und Höhenstandsregelungen
  • Verwendung für Condition Monitoring
  • Verwendung für Softsensorik

Regelungstechnik

Die vorausgehende Modellbildung von Kreiselpumpensystemen dient als Grundlage für einen entsprechenden Reglerentwurf zur Anlagendruckregelung. Standardmäßig werden im industriellen Umfeld für solche Zwecke PID-Regler eingesetzt. PID-Regler besitzen jedoch den Nachteil, dass sie bei nichtlinearen Systemen nur um den für sie betrachteten Arbeitspunkt gut funktionieren – davon ausgehend, dass Parameterdrifts diesen nicht unwesentlich verändern. Besser geeignet wäre hierfür ein adaptives und robustes Regelungsverfahren.

Aufbauend auf der Struktur der linearisierten Übertragungsfunktion lassen sich adaptive oder robuste Regler derart entwerfen, dass Störeinflüsse weitestgehend kompensiert werden und sich trotz Linearisierung ein großer Arbeitsbereich des nichtlinearen Systems abdecken lässt.