In dem Projekt KIRoPro wird gemeinsam mit Schaeffler Technologys AG & Co. KG ein System zur automatisierten Programmierung industrieller Robotersystemen für die Montage und Handhabung besonders anspruchsvoller Teile entwickelt. Hierzu zählen beispielsweise Dichtungen, biegeschlaffe Teile und Komponenten mit komplexen Geometrien. Die angestrebte Methodik basiert auf Verwendung eines digitalen Zwillings der Roboterzelle und der Nutzung von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI). Grundlage für das zu entwickelnde System ist eine Wissensdatenbank, welche im Rahmen eines simulationsbasierten und prozessbegleitenden maschinellen Lernprozesses (ML) während der automatisierten Roboterprogrammerstellung genutzt wird, um einerseits die Datenbank mit weiterem Wissen anzureichen und andererseits die Roboterprogramme fortlaufend zu optimieren oder Prozessveränderungen zu adaptieren.

Motivation

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland und im besonderen für den Freistaat Bayern ist eine hohe Automatisierung unersetzlich, um den Personalkostenvorteil konkurrierender Ländern zu kompensieren und langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben. Derzeitige Automatisierungsmethoden bieten aber nicht die nötige intuitive, flexible und zeiteffiziente Programmierung. Vor allem Roboterapplikationen zur Handhabung komplexer Teile können aktuell nur mit sehr hohem manuellen Programmieraufwand und vielen experimentellen Schritten (Trial-and-Error) realisiert werden. Engineering-Zeiten von bis zu sechs Personenwochen und mehr sind für eine Roboterapplikation keine Seltenheit. Als Folge kann in den vergangenen Jahren nicht nur die Auslagerung von Produktionsstandorten, sondern auch eine Verlagerung von ganzen Entwicklungs- und Engineering-Abteilungen bayerischen Unternehmen nach Osteuropa oder Asien beobachtet werden. Es gehen durch diesen Trend damit nicht nur Arbeitsplätze für gering qualifiziertes Personal, sondern auch hochqualifizierte Arbeitsplätze in Bayern verloren. Aus diesen Gründen ist es ein Bestreben der Schaeffler-Gruppe, das Engineering und die Automatisierung von Produkten durch innovative und neue Methoden an die Anforderungen eines sich verändernden Marktes anzupassen. Nur dadurch können Engineering-Kapazitäten und letztlich auch Produktionsstandorte samt den damit verbundenen Arbeitsplätzen in Bayern erhalten und ausgebaut werden. 

Ziele

Kernziel ist die Entwicklung eines Systems, mit dem industrielle Robotersysteme automatisiert programmiert werden können. Automatisiert bedeutet in diesem Sinne, dass die Erstellung der Steuerprogramme für das Robotersystem autonom, ohne Zutun eines Menschen erfolgt. Der Anwendungsfokus des Robotersystems liegt auf der Verwendung bei der Montage und Handhabung besonders anspruchsvoller Kleinteile, wie beispielsweise elastische und biegeschlaffe Teile oder Teile mit komplexen Geometrien (z. B. Dichtungen). Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes sollen zudem Zu- und Abführprozesse in die Roboterzelle und in die Programmerstellung mit integriert werden. Abgrenzend wird zunächst festgelegt, dass die Bauteile bereits teilorientiert, z. B. in Kleinladungsträgern (KLT), Blistern oder Trays, vorliegen. Die Vereinzelung von Teilen, welche als Schüttgut vorliegen („Griff in die Kiste“) soll anschließend in einem weiteren Entwicklungsschritt nach dem hier beantragten Projekt betrachtet werden.

Die Positionierung der Teile im Werkzeug, am Werkstückträger und im gesamten Prozess soll mit einer Genauigkeit von bis zu ±0,1 mm erfolgen. Des Weiteren ist sehr exaktes Greifen eine Voraussetzung für das vorgesehene Handling von Teilen mit komplexer Geometrie. Aus diesem Grund ist bei der Zuführung der Bauteile der Einsatz einer 2D-Kamera mit dazugehöriger Bildverarbeitung für eine präzise Positionsbestimmung notwendig. Das Bauteil darf auch deswegen nicht im Greifer verrutschen, damit es für die anschließende Montage eine klar definierte Position hat. Je nach Bauteilgeometrie werden verschiedene Arten von Greifern benötigt. Außerdem ist die Handhabung von Logistikmaterial, wie KLT, Trays, Blister, Zwischenlagen etc., vorgesehen.

Ein weiteres Ziel im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ist die Entwicklung einer intuitiven Eingabe- und Beschreibungssprache zusammen mit den CAD-Daten der zu handhabenden Bauteile. Damit wird dem System im Zuge der Arbeitsvorbereitung das gewünschte Verhalten des Roboters beigebracht. Daraus generiert das System die nötigen Roboterprogramme unter Nutzung eines digitalen Zwillings der Roboterzelle mittels KI-Methoden. Das Ergebnis wird dreidimensional mittels Methoden der VIBN simuliert und visualisiert und lässt sich anschließend, nach Abnahme durch einen Menschen, in die reale Robotersteuerung übertragen.

Die entstandenen Programme sollen zudem im Sinne einer sogenannten produktionsbegleitenden Simulation während der Ausführung in der realen Roboterzelle vorlaufend optimiert werden, wobei dadurch auch Wissen generiert wird, welches in einer Wissensdatenbank gespeichert wird. Dieses gespeicherte Wissen soll zukünftige Programmgenerierungen für andere, ähnliche Bauteile verbessern. 

Innovationscharakter

Der innovative Kern besteht darin, dass in diesem Projekt eine Methode geschaffen wird, mit der ein Robotersystem automatisiert mittels Methoden der KI programmiert wird. Robotersysteme können sich somit in bestimmten Grenzen selbst programmieren. Dies wird durch eine Wissensdatenbank, welche strukturiertes Wissen über Roboteranwendungen  für hochkomplexe Teile speichert, ermöglicht.

Eine weitere Innovation besteht darin, dass die für den ML-Algorithmus benötigten Trainingsdaten synthetisch, mittels eines digitalen Zwillings, erzeugt werden. Hierdurch lässt sich eine aufwändige Erzeugung von Lerndaten aus realen Anlagen einsparen. Darüber hinaus ist es möglich, die Prozesse während der laufenden Produktion zu überwachen und Änderungen aus dem Produktionsumfeld zu erkennen. Diese Änderungen werden anschließend an den digitalen Zwilling und der Wissensdatenbank zurückgeführt. Somit können im laufenden Betrieb die Roboterprogramme prozessbegleitend auf Basis der Realdaten angepasst und optimiert werden. Es wird von einer adaptiven Produktion gesprochen. 

Projektkonsortium

Das Projektkonsortium besteht aus der wissenschaftlichen Einrichtungen des Nuremberg Campus of Technology und der Schaeffler Technologys AG & Co. KG als industriellen Partner. Gemeinsam soll System zur automatisierten Roboterprogrammierung und betriebsbegleitender Optimierung durch den Einsatz eines digitalen Zwillings und KI-Methoden entwickelt werden.  

Versuchsstand

Die erarbeitete Roboterzelle wird in einem Labor der Firma Schaeffler umgesetzt und der Versuchsstand aufgebaut. Neben der Montage aller hardwareseitigen Bauteile erfolgt ebenso die softwareseitige Einbindung. Dort können die gewonnenen Erkenntnisse untersucht und die Roboterzelle weiter optimiert werden. 

Förderung

Das Projekt KIRoPro wird durch das Bayerische Verbundforschungsprogramm (BayVFP) des Freistaats Bayerns aus der Förderlinie Digitalisierung finanziert.