Klassifizierung der Bauteilreihe

Zunächst wurde ein sicherer Greifer entwickelt, der in der Lage ist, eine ganze Reihe an Bauteilen zu handeln, da flexibel ein Sauggreifer weggenommen werden und hinzugefügt werden kann. Damit ist an einem neuen Arbeitsplatz keine erneute Umrüstung notwendig. Neben der Konstruktion des Greifers sind zudem die Bauteile, die durch den Greifer gehandelt werden, für die Sicherheit bei der MRK entscheidend. Zur Erteilung einer Standard-CE für eine bestimmte Bauteilreihe, müssen für diese Bauteile Kriterien anhand von Kennzahlen definiert werden. Damit wird es möglich auch komplett neue Bauteile ohne eine erneute Sicherheitsabnahme für das Handling durch die mobile Roboterzelle zu verwenden. Der aufwendige individuelle Konformitätsprozess wird dadurch umgangen. Zur Mensch-Roboter-Kollaboration dient der sichere Greifer, der keine scharfen Kanten oder spitzen Ecken aufweist. Dabei handelt es sich um ein 3D-Druckteil, welches über zwei Anschlüsse für die Vakuumsaugdüsen (Balgsauger) verfügt. Diese können flexibel entfernt werden, um je nach Bauteilgewicht und Bauteilabmessungen eine ganze Bauteilreihe greifen zu können. Damit muss für das Robotersystem nicht an jedem anderen Arbeitsplatz, bei denen sich die Bauteile grundlegend ändern, eine individuelle Sicherheitsabnahme durchgeführt werden. Bei konventionellen Systemen erfolgt bei einem anderen Bauteil auch der Einsatz eines anderen Greifers, der eine erneute Sicherheitsbetrachtung erfordert. Im Folgenden sind außerdem die Bauteilkriterien aufgelistet, welche erfüllt werden müssen:

BauteilparameterVorgabe
GrundformQuader
Spitze Formen, die aus der Geometrie ragenkeine vorhanden
Größe der Zwischenräumemax. 32 x 45 mm
Massemax. 536 g
Längemax. 250 mm
Höhemax. 250 mm
Breitemax. 250 mm
Eckenradiusmin. 0,5 mm
Kantenradiusmin. 0,5 mm
Scharfe Ecken oder Kantenkeine vorhanden
OberflächenbeschaffenheitRZ < 1 mm

Risikobeurteilung und Maßnahmen

Es wurde eine umfangreiche Risikobeurteilung durchgeführt. Das Ziel des Projektes ist eine Standard-CE für eine Reihe an Bauteilen erteilen zu können. Daher wurde sowohl für die Gefährdungsbeurteilung als auch für den Nachweis der biomechanischen Grenzwerte das schwerste Bauteil mit einem Gewicht von ca. 536 g betrachtet. Eine Übersicht der identifizierten Risiken mit der Klassifizierung der Art der Gefährdung sowie eine Gefahrenbeschreibung ist in der nachstehenden Tabelle dargestellt:

Nr.GefährdungsbereichGefährdungGefahrenbeschreibung
1Einlegen der Bauteile in KleinladungsträgerQuetschenFinger oder Handflächen können sich zwischen dem Bauteil und der Kiste befinden.
2Einlegen der Bauteile in KleinladungsträgerScherenZwischen einem bereits einsortierten Bauteil im KLT und einem weiteren Bauteil, das gerade einsortiert wird, können sich die Finger oder Hände befinden.
3Einlegen der Bauteile in VorrichtungQuetschenFinger und Handflächen können sich zwischen dem Bauteil und der Vorrichtung befinden.
4Einlegen der Bauteile in VorrichtungScherenFinger und Handflächen können sich zwischen dem Bauteil und der Vorrichtung befinden.
5Greifen der BauteileQuetschenFinger und Handflächen können sich zwischen den Vakuumsaugern und dem Bauteil befinden.
6Endlagenfahrt des Schubs - EndlagendämpferQuetschenFinger oder Fingerkuppen können sich zwischen dem Schub der Vorrichtung und dem Endlagendämpfer befinden.
7Endlagenfahrt des Schubs - Endlagendämpfer (Stift)Durchstich oder EinstichBeim Schließen des Schubs kann sich der Finger oder die Fingerkuppe zwischen dem Endlagenschalter und dem Schub befinden.
8Einklemmen durch VakuumschlauchQuetschenFinger oder Handflächen können zwischen Roboter und Vakuumschlauch eingeklemmt werden.
9Roboterbewegung im KopfbereichErfassenWährend er Bewegung des Roboters im Raum kann der Kopfbereich des Menschen erfasst werden.
10Bauteilbewegung im RaumStoßWährend der Transportbewegung eines Bauteils im Raum kann eine Kollision mit dem Oberkörper oder den Armen des Menschen auftreten.
11Bauteilbewegung im RaumStoßWährend der Bewegung des Greifers im Raum kann eine Kollision mit dem Oberkörper oder den Armen des Menschen auftreten.
12Herabfallendes Bauteil bei StromausfallStoßBei einem Stromausfall wird die Vakuumzufuhr an den Sauggreifern unterbrochen und das Bauteil kann auf den Fuß des Werkers fallen.
13Schließen des Schubs am PrüfautomatenScherenBeim sich schließenden Schub können sich die Finger oder Handflächen zwischen dem Schub und der Vorrichtung im Bereich der Bauteilentnahme befinden. 
14Schließen des Schubs am PrüfautomatenQuetschenFinger oder Fingerkuppen können sich zwischen dem Schub und der Vorrichtung im Bereich des Endlagendämpfers befinden.
15Mensch stürzt in die RoboterzelleAusrutschen, Stolpern und StürzenWährend der Bewegung des Roboters im Normalbetrieb bei maximaler Geschwindigkeit kann der Mensch in die Roboterzelle stürzen.
16Verdrehen des LaserscannersSonstige GefährdungDer Laserscanner kann sich im laufenden Betrieb des Roboters verdrehen, sodass das Schutzfeld damit nicht mehr senkrecht nach unten steht.
17Radarsensoren haben Performance Level d, Kategorie 2Sonstige GefährdungLaut DIN 10218-2 wird Kategorie 3 gefordert. 
18Hinübergreifen über das SchutzfeldMenschliches FehlverhaltenMöglicherweise ist es bei einem Fehlverhalten des Menschen möglich über das Sicherheitssystem zu greifen.

Kraft-Druckmessung

Mit Hilfe eines Kraftmessgeräts der Firma GTE Industrieelektronik GmbH, das in Kombination mit dem Druckmess-Set ein vereinfachtes Messverfahren darstellt, wurde die Validierung durchgeführt. Das Druckmess-Set besteht aus einem Mikrofasertuch (a), zwei Fujifilm Druckmessfolien (b und c) und einem Dämpfungsmaterial (d). Bei Letzterem können drei Verschiedene Härtegrade unterschieden werden, welche die verschiedenen Körperregionen abbilden: rot (70 Shore), blau (30 Shore) und grün (10 Shore). Der reale und prinzipielle Messaufbau ist in den folgenden Illustrationen dargestellt:

Im Zuge dieses Projektes wurden circa 30 Messungen sowohl im Robotiklabor des NCT als auch im realen Produktionsumfeld durchgeführt. Diese wurden durch die mitgelieferte Software CoboSafe-Vision ausgewertet. Der Exemplarische Messaufbau einer Kraft-Druck-Messung für den Fall der Endlagenfahrt des Schubs an der Testvorrichtung wird in der nächsten Abbildung veranschaulicht:

 

In Abschnitt a) ist die Positionierung des Kraftmessgeräts im Quetschbereich der Gefahrenstelle zu erkennen. Durch den vorprogrammierten Bewegungsablauf des Roboters fährt dieser auf Kollision zwischen dem Schub und dem Messgerät, wodurch der Roboter in den Sicherheitsstopp überführt wird. Als Ergebnis ist die rot verfärbte Druckfolie (b) zu erkennen.  Durch die Auswertung der Messdaten und die Übertragung an den PC werden sowohl die Druckverteilung (c) als auch der Kraftverlauf (d) der Messung angezeigt.

 

Nach diesem Prinzip wurden alle Messungen durchgeführt und in einem Protokoll abgespeichert. Dieses Protokoll sowie die Gefährdungsbeurteilung mit Safexpert sind die Grundlage für die Erteilung eines CE-Kennzeichens der gesamten mobilen Roboterzelle.

 

Für den gesamten Bewegungsablauf des Roboters konnte durch die Kraft-Druckmessung gezeigt werden, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 200 mm/s ausreichend ist, um die Grenzwerte der ISO/TS 15066 einzuhalten. Im reduzierten Modus fährt der Roboter mit dieser Geschwindigkeit.