Lehrgebiet "Grobkeramik“ in der Fakultät Werkstofftechnik

Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Krcmar

Als Grobkeramik bezeichnet man ein sehr altes Teilgebiet der heutigen Silikatkeramik. Zu den grobkeramischen Produkten gehören Dach- und Mauerziegel, Deckenziegel, Bau- und Zierkeramik, Feuerfest- und Säurefestkeramik, Steinzeug und Schleifmaterialien. Die Unterscheidung zwischen Feinkeramik und Grobkeramik bezieht sich auf die Größe der Gefügeteilchen und die Gleichmäßigkeit des Scherbengefüges. Sind Gefügeteilchen von größer 0,1 mm im Scherben enthalten, so bezeichnet man diese Keramik als Grobkeramik.
Bei den Ziegeln handelt es sich um den ältesten Werkstoff der Welt. Die ältesten luftgetrockneten Lehmziegel wurden auf ca. 13 000 v. Chr. datiert und die ältesten gebrannten Ziegel auf ca. 7 000 Jahre v. Chr.. Für den Turmbau zu Babel berechneten Archäologen einen Bedarf von ca. 85 Millionen Ziegelsteinen. Um Stückzahlen in dieser Größenordnung herstellen zu können, muss deshalb eine noch sehr viel ältere technische Entwicklung vorhanden gewesen sein.

Mauerziegel mit geschlitzten Außenstegen (Quelle: Ceramix AG, Nürnberg)
Ceramix AG, Mauerziegel mit geschlitzten Außenstegen

Der technologische Fortschritt hat die Grenzen zwischen Fein- und Grobkeramik fließend werden lassen. Die heutige Aufbereitungstechnik im Halbnass-Verfahren mit Walzenspalten von 0,5 mm, die Extrudertechnik sowie hocheffiziente Trockner- und Ofenanlagen haben einen extremen Qualitätsanstieg der Ziegel mit homogenen Werkstoffeigenschaften bewirkt. Eine gleichzeitig erfolgte Prozessautomatisierung begrenzt den heutigen Personaleinsatz auf ein Minimum und ermöglicht die wettbewerbsfähige Produktion hochwertiger Baustoffe aus Keramik. Aufgrund der vergleichsweise sehr guten Werkstoffeigenschaften kann der Ziegel im Vergleich mit anderen Baustoffen als Zehnkämpfer bezeichnet werden. Seine wirtschaftliche Bedeutung als Wand- und Dachbaustoff ist enorm.


Im Bachelorstudiengang "Angewandte Materialwissenschaften", Teilbereich „Silikat- und Grobkeramik“ werden die Grundlagen der Grobkeramik vermittelt. Dabei wird auf die Einsatzstoffe Tone und deren Abbau- und Aufbereitungsverfahren, die Masse-Konditionierung und -Plastizität, die Formgebung, das Trocknen, das Brennen und die Qualitätsüberwachung sowie werkstofftechnische Ziegeleigenschaften eingegangen. Da für den Ziegelbrand Temperaturen zwischen 900 °C und 1300 °C mittels moderner Feuerungstechnik erzeugt werden, wird auf die Wärmeübertragungsmechanismen und die thermische Verfahrenstechnik eingegangen.


Im Schwerpunkt „Silikat- und Grobkeramik“ des Bachelor-Studiengangs sowie im Master-Studiengang wird das Grundlagenwissen systematisch um anwendungsbezogenes Spezialwissen aus der Grobkeramik und zugehörige Produktionsverfahren erweitert. Dabei wird der „Stand der Technik“ heutiger Produktionsverfahren und Produkteigenschaften aufgezeigt und wichtige Ergebnisse aus dem aktuellen Forschungsumfeld der grobkeramischen Industrie erläutert. Der Vorlesungsstoff wird durch Bild- und Filmmaterial, zahlreiche Proben aus der Praxis, Versuche im Praktikum, Durchführung von Abschlussarbeiten sowie Industrie-Exkursionen ergänzt.