Maschinenbau am OHM - Historische Entwicklung und Notizen

Die Frage, ob das Technische Schulwesen Begleiter oder Wegbereiter der 1. "Industriellen Revolution" gewesen sei, lässt sich zumindest für den süddeutschen Raum und unsere Region beantworten:

Weitsichtige Nürnberger Politiker waren mit der Gründung der "Polytechnischen Schule" im Jahre 1823 Mitauslöser einer Entwicklung, die die Industrialisierung initiierten und an deren Ende die Technischen Hochschulen/Universitäten und - zum Ende des 20. Jahrhunderts - die Fachhochschulen stehen.

Zur Vorgeschichte gehört der Streit der alten Montanstädte Freiberg in Sachsen und Schemnitz in Oberungarn (heute Slowakei) um das Urheberrecht für die Errichtung der ersten technischen Hochschule (hier für Bergbau) im 18.Jahrhundert. "Polytechnik" war das Schlagwort einer Zeit, in der man die natur- und (später) ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen an "Hohe Schulen" holen wollte. So war die "Ecole Polytechnique" im revolutionären Paris und das artverwandte "Polytechnische Institut" in Wien wenig später wegweisend für die weitere Entwicklung.

Nürnberg lag an der Wende zum 19.Jahrhundert in politischer Agonie und wirtschaftlicher Verelendung und konnte seine Universität in Altdorf nicht mehr angemessen unterhalten. In einem Akt der Selbsthilfe war 1792 die "Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer*) Industrie" gegründet worden, die bereits ein Jahr später eine "Mädchen-Industrieschule" als Modell-"Anstalt" gründete - 10 Jahre später folgte die "Knaben-Industrieschule". Kurz darauf - 1806 - war es mit der Eigenständigkeit Nürnbergs und seines Schulsystems vorbei. Auch dem nun im Königreich Bayern gegründeten "Polytechnischen Institut" als Oberstufe der Nürnberger Realstudienanstalt waren nur wenige Jahre Existenz vergönnt.

Johannes Scharrer war der Nürnberger Politiker, der als 2.Bürgermeister die Gründung einer städtischen "Polytechnischen Schule" im Jahre 1823 durchsetzte. Dem bayerischen König gefiel diese Institution so gut, dass er 10 Jahre später diese in Nürnberg und zwei weitere in München und Augsburg verstaatlichte, d.h. zu königlich-bayerischen Schulen erhob.

Die Zeit bis 1868 war für die Nürnberger "Technischen Lehranstalten" eine Glanzzeit: Berühmte Wissenschaftler und Künstler - der bekannteste war unser Namenspatron Georg Simon Ohm - haben hier in der Mitte des letzten Jahrhunderts gewirkt und waren teilweise beim Bau der 1. Eisenbahn auf deutschem Boden sowie beim Kanalbau zwischen Main und Donau beteiligt:

Das Industriezeitalter brach an - Nürnberg wurde im Laufe der Jahrzehnte zur bedeutendsten Industriestadt Bayerns und gab diesen Rang erst in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts an München ab.

Die weitere Geschichte der "Technischen Lehranstalten" verlief wechselhaft. 1868 wurden sie zur "Kgl. Bayerischen Industrieschule" herabgestuft, wohingegen die Residenzstadt München die Technische Hochschule erhielt. 1906 wandelte sich die Nürnberger Institution zum "Technikum", 1919 wurde sie zur "Höheren Technischen Staatslehranstalt" (HTS), um dann nach einer neuen, aber kurzen Blütezeit in den 20er Jahren anlässlich der 100-Jahrfeier den Namen "Ohm-Polytechnikum" zu erhalten. Im Dritten Reich wurde der Lehrbetrieb ausgedünnt und die Studiendauer zugunsten der "Wehrtüchtigkeit" der jungen Männer verkürzt. Erst im Kriegsschutt nach 1945 entstand mit neuem Elan eine Ingenieurschule von Rang, die nun den Namenzusatz "Akademie für angewandte Technik" bekam.

Nach langen politischen Auseinandersetzungen über die Zukunft der vielen Polytechnika, Maschinenbauanstalten, Akademien usw. kam es Anfang der 70er Jahre zum Durchbruch: Die Fachhochschulen wurden gegründet. Gerade in Nürnberg entstand nun eine neue, der Praxis verpflichtete Hochschule für Technik, Betriebswirtschaft, Sozialwesen und Gestaltung, wobei traditionsreiche und bewährte städtische Höhere Schulen in die neue Hochschule integriert wurden. Die Zahl der Studierenden nahm in wenigen Jahren explosionsartig zu. Staat und Gesellschaft konnten die Mittel zur Bewältigung der "Überlast" von Studierenden kaum aufbringen. Die Zahl der Lehrenden konnte mit der rasanten Entwicklung der Hörerzahlen ebenso wenig Schritt halten wie die Ausbaumaßnahmen für die Infrastruktur.

1983 - zum 150jährigen Jubiläum als staatliche Institution - wurde auf Beschluss des Bayerischen Landtags wieder der Name "Georg-Simon-Ohm" verliehen. Bis zum Jahrhundertende konnten nun alle Ausbildungsrichtungen und Fachbereiche in Neubauten ans Wöhrder Tal geholt werden - dorthin, wo schon am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit die Nürnberger ihre Industrie ansiedelten. Die Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule wird ihre Tradition als fortschrittliche Ausbildungsstätte und ihren guten Ruf wahren - die Voraussetzungen dafür sind gut.

 

 

Nürnberg, im Juli 1999

 

Prof. Dr. phil. Ekkehard H. Wagner

 

 

*) "vaterländisch" war auf die "freie Reichsstadt Nürnberg" allein bezogen ...