27.11.2023

E-Learning mit dem Bot

Von Stefan Jablonka

Am Anfang bittet der Bot Mathi um Hilfe: „Holt mich hier raus“, appelliert er an die Solidarität der Sechstklässler*innen. Die müssen spannende Aufgaben rund um das Bruchrechnen lösen und virtuelle Räume durchwandern, damit sie am Ende mit einem „Juhuu, ich bin wieder draußen! Ich bin dir sehr dankbar,“ belohnt werden. Das kommt gut an, nicht nur bei den Schüler*innen: Im Juni erhielten Mathi bzw. seine Schöpfer*innen das begehrte Comenius EduMedia Siegel in der Rubrik Mathematische und Naturwissenschaftliche Bildung. Mathi ist ein Gemeinschaftsprojekt der Ohm, der time4you GmbH aus Karlsruhe und des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Röthenbach an der Pegnitz. Er basiert auf einer Masterarbeit an der Ohm.

Der Lernbot Mathi ist ein virtueller „Mathe-Buddy“ und ein modernes Beispiel für eine KI-unterstützte Anwendung von Conversational Learning im Bildungsbereich. Conversational Learning, kurz CL, bezieht sich auf einen Lernprozess, der durch Gespräche oder Interaktionen zwischen Individuen oder zwischen einem Individuum und einer Software wie einem Chatbot oder intelligenten Tutoring-System ermöglicht wird. Der Einsatz von CL wird in der Pädagogik, aber auch in der Psychologie, Informatik und Linguistik erforscht.

Als persönlicher Tutor ermöglicht Mathi den Schüler*innen der 6. Klasse, den Unterrichtsstoff zum Thema Bruchrechnen individuell und im eigenen Tempo zu wiederholen und zu vertiefen. Abhängig von der Leistung der Lernenden in Zusammenhang mit dem Lösen von Aufgaben passt der Bot den Pfad durch die gezeigten Inhalte an, sodass Schwächen gezielt adressiert oder bereits verstandene Konzepte weiterentwickelt werden können.

Interessant ist auch die Einbindung von Storytelling und spielerischen Elementen – hier konkret in Form eines Escape Games –, um die Motivation der Schüler zu steigern. Diese didaktischen Elemente können besonders wichtig sein, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu erhalten und ihnen zu helfen, die oft als trocken empfundene Materie des Bruchrechnens besser zu erfassen.

Genau hier setzt die Forschungsarbeit von Prof. Dr. Christian Langenbach an. Langenbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät Betriebswirtschaft. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt auf den Themengebieten Digitalisierung, Digitale Transformation sowie Digitales Lernen. Er hat das Projekt im Rahmen eines Forschungssemesters initiiert und sich zum Ziel gesetzt, Konzepte und Realisierungsansätze im Kontext Conversational Learning für Schulen, Hochschulen und die betriebliche Aus- und Weiterbildung zu erarbeiten. Im Gegensatz zu passiven Lernmethoden wie Frontalunterricht wird hierbei ein dialogischer Ansatz verfolgt, der die aktive Teilnahme und Diskussion der Lernenden fördert und somit hilft, ein besseres Verständnis der und eine bessere Erinnerung an die Lerninhalte zu erreichen.

„Mathi ist ein schönes Beispiel dafür, wie E-Learning heute auch aussehen kann“, sagt Langenbach, „nachdem in der Pandemiezeit gerade Schüler*innen und Studierende darunter zu leiden hatten, dass eilig produzierte Screencasts und Audio- und/oder Videokonserven die Wissensvermittlung viel zu oft zur reinen und gefühlt endlos langen Einbahnstraße ohne jegliche Rückkoppelung machten“. Auch an „die deprimierenden schwarzen wie stummen Zoom-Kachelwände“, erinnert sich der Wirtschaftsinformatiker noch gut. Mathi hingegen sorgt für Interaktion, denn „Lernen als sozialer Prozess gelingt oft dann besonders gut, wenn es im direkten und aktiven Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden erfolgt“.

Entwickelt wurde der freundliche Bot im Rahmen einer Masterarbeit im Studienschwerpunkt „Digital Business“ von Alexander Lehner mit der Karlsruher time4you GmbH und deren KI-unterstützter Chatbot-Software Jix für Conversational Learning. Die fachliche Beratung leistete Studiendirektor Axel Neubing, der zudem den ersten Praxiseinsatz am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Röthenbach an der Pegnitz organisierte. Seitdem treibt Mathi sein Unwesen auch an weiteren Gymnasien.

Mathi ist nicht der erste preisgekrönte Bot aus dem Umfeld von Langenbach. 2022 wurde „maxi“, ein Lernbot für den betrieblichen Kontext, beim internationalen Comenius Media Award ausgezeichnet. Maxi hat jede Menge Baustoffwissen und führt die Nutzer*innen mit Humor und einer gewissen Hartnäckigkeit durch die Zertifizierungskurse bei der maxit Gruppe.

Was ist ein Forschungsfreisemester?

Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz erlaubt Professor*innen an bayerischen Hochschulen, sich für Forschungstätigkeiten von ihrer Lehrverpflichtung befreien lassen. Eine Befreiung ist auch für Praxis- und Gründungstätigkeiten möglich. Hauptziel dieser Regelung ist es, die Forschung an den Hochschulen zu stärken. Darüber hinaus dient die Forschungsfreistellung dazu, Innovationen sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu unterstützen und die Qualität der Lehre durch die Integration aktueller Forschungsergebnisse zu verbessern. Insgesamt trägt dies dazu bei, die Hochschule als einen Ort herausragender wissenschaftlicher Leistungen zu etablieren, der sowohl für Professor*innen als auch für Studierende attraktiv ist. Im Sommersemester 2023 befanden sich an der Ohm insgesamt 23 Professor*innen in Freistellung, im Wintersemester 2023/2024 sind es 16.

 

Zurück
Anfahrt