16.11.2022

Professur mit Passion

Forschungsorientierte Professuren an der TH Nürnberg

Die Forschung nimmt an der TH Nürnberg einen hohen Stellenwert ein. Doch durch die Lehrverpflichtung von 18 Semesterwochenstunden (SWS) bleiben den Professor*innen nicht genügend zeitliche Ressourcen für zeitintensive Forschungsprojekte. Mit der HighTech Agenda Bayern stehen der TH Nürnberg weitere 38 kapazitätsneutrale Professuren zugunsten von Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Mit insgesamt 48 kapazitätsneutralen Professuren können so 96 forschungs- und transferaktive Professuren zur Hälfte deputatsentlastet werden, wodurch zusätzliche Kapazitäten für die angewandte Forschung geschaffen werden. Vier davon sind Prof. Dr.-Ing. Rainer Engelbrecht, Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner, Prof. Dr. Helen Rogers und Prof. Dr.-Ing. Dominik Söthje.

Jasmin Bauer

Aus OHM-Journal 2022/2

 

Prof. Dr.-Ing. Rainer Engelbrecht
Fakultät Elektrotechnik Feinwerktechnik Informationstechnik – Forschungsorientierte Professur „Technische Optik und Messtechnik“

Für wen ist Ihr Forschungsgebiet von Bedeutung?

Optik und Photonik sind Querschnittstechnologien für viele Bereiche der Industrie und Gesellschaft. Mit kurzen Lichtpulsen aus Lasern werden Mobilfunk- und Internetdaten mit Lichtgeschwindigkeit über Glasfasern quer durch Kontinente und Ozeane übertragen. Optische Abstandssensoren, in Anlehnung an das bekannte Radar auch Lidar genannt, ermöglichen autonome Fahrzeuge und faseroptische Sensoren überwachen kritische Infrastrukturen wie Brücken, Staudämme und Pipelines auf Beschädigung. Moderne effiziente LED-Lichtquellen auf Basis optoelektronischer Halbleiter sparen heute schon kostbare elektrische Energie, während optische Technologien mit Lasern, Lichtwellenleitern und mikroskopisch kleinen optischen Linsen eine wichtige Grundlage für zukünftige Quantentechnologien sind, vom optischen Quantencomputer mit enormer Rechenleistung bis hin zur Quantenkryptographie zur abhörsicheren Informationsübertragung. Daher ist es so wichtig, dass diese Themen in Forschung und Lehre gut an der TH Nürnberg vertreten sind.

Wie verbinden Sie Forschung und Lehre?
Als Hochschule für angewandte Wissenschaften arbeiten wir in Forschung und Lehre eng mit der regionalen Industrie zusammen. Interessanterweise gibt es nicht nur in Bayern oder ganz Deutschland, sondern gerade im Raum Nürnberg eine Vielzahl an Firmen zu optischen Technologien, mit denen wir beispielsweise am Forschungsinstitut Polymer Optical Fiber Application Center, kurz POF-AC, kooperieren. Im Rahmen von Projekt- und Abschlussarbeiten können Studierende sowohl bei den Partnerfirmen wie auch bei uns in den Laboren der Hochschule an der Forschung und Entwicklung mitarbeiten. Ein aktuelles Beispiel sind faseroptischen Sensoren zur Zustandsüberwachung von Windkraftanlagen und von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen. Für mich ist das eine hervorragende Möglichkeit, diese anwendungsnahen Forschungsthemen auch in meine Lehrveranstaltungen einzubauen. Dies beginnt bei Grundlagen zu Technischer Optik in Bachelorstudiengängen, und führt hin zu fortgeschrittenen Themen der Faseroptik und optischen Messtechnik im Masterstudium.  

Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen geben, die im Forschungsbereich tätig werden möchten?

Wie in vielen anderen Disziplinen ist auch in den Ingenieurswissenschaften die Neugier und die Begeisterung wichtig, aus eigenem Antrieb heraus technisch-wissenschaftlichen Fragestellungen nachzugehen. Ausgehend von dieser Faszination sollte man schon im Bachelor die Wahlfächer eher gemäß den eigenen individuellen Interessen wählen, als sich einfach nur dem Mainstream anzuschließen. Da in der Forschung ein erweitertes und vertieftes Verständnis auch der theoretischen Grundlagen erforderlich ist, ist ein Masterstudium dringend zu empfehlen. Ein entsprechender Abschluss ist auch eine Regelvoraussetzung für eine anschließende Promotion oder gar Karriere als Hochschulprofessor. Die Wege bis dahin sind vielfältig und häufig nicht planbar. Wenn man aber konsequent anspruchsvolle und dadurch oft auch anstrengende, aber immer spannende Herausforderungen bei der Erforschung und Entwicklung neuer Verfahren, Methoden und Instrumente annimmt, dann bieten sich sowohl in der Industrie als auch an den Hochschulen immer wieder beste Möglichkeiten einer Karriere als Forschender.

 

 

Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner
Fakultät Architektur – Forschungsorientierte Professur „Konstruktion und Technik, Technologie der Gebäudehülle“

Für wen ist Ihr Forschungsgebiet von Bedeutung?
Derzeit forsche ich mit Kolleg*innen an der Verbindung von Grünfassaden mit Photovoltaik und daran, welche Potenziale diese Fassadenlösungen für die Klimaanpassung und Klimaneutralität haben. Wir untersuchen die Potentiale solarer Energiegewinnung, indem durch Begrünungstechniken die Temperaturerhöhung von Photovoltaikmodulen reduziert wird. Dabei geht es auch um das Ziel einer stimmigen Gesamtkonstruktion.
Das Forschungsgebiet ist in erster Linie an die Fachkolleg*innen adressiert, wie Architekt*innen oder Ingenieur*innen, die sich berufsbedingt mit Fassadenkonstruktionen beschäftigen. Es ist aber auch für die Endverbraucher*innen bei Bau oder Sanierung ihres Eigenheims interessant. Durch die derzeitige Energie- und Ressourcenwende sind die Themen Nachhaltigkeit und regenerative Energien zunehmend gefragt.

Wie verbinden Sie Forschung und Lehre?
Von Beginn an hatte ich die Zielsetzung, dass sich Forschung und Lehre sinnvoll ergänzen sollen. Die Forschungsarbeiten und -ergebnisse beziehe ich immer auch in meine Vorlesungen ein, wodurch den Studierenden direkt neueste Erkenntnisse vermittelt werden.
Ich biete zudem Seminare an, in denen die Studierenden Teilaufgaben bearbeiten können, sowie Abschlussarbeiten und die Projektmitarbeit als studentische Hilfskräfte. So haben die Studierenden die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln und erste Schritte im Forschungsbereich zu machen. Umgekehrt profitiere natürlich auch ich von der Kreativität der Studierenden und ihren Arbeiten, mit denen die Forschungsprojekte bereichert werden. Die Ergebnisse präsentieren wir auch regelmäßig auf nationalen und internationalen Kongressen.

Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen geben, die im Forschungsbereich tätig werden möchten?
Ich möchte alle ermuntern, die Chance zu nutzen, sich in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen. Dabei sollten sie sich nicht nur an tagesaktuellen Themen orientieren, sondern ihre eigenen Interessen verfolgen. Forschung ist zeitintensiv, ohne echtes Interesse an einem Thema ist diese Tätigkeit nicht wirklich machbar.
Zudem sollten sie eine gewisse Beharrlichkeit mitbringen. Es dauert beispielsweise oft lange, bis die Drittmittel für die Forschung eingeworben sind, manchmal sogar drei bis fünf Jahre. Da sind Geduld und Ausdauer gefragt, aber es lohnt sich. Wenn es mit den ersten Schritten in die Forschung erfolgreich klappt, sollten sie sich auch trauen, eine Promotion anzustreben.
In der Regel ist ein Architekturstudium darauf ausgerichtet, die Studierenden auf eine Tätigkeit in einem Architekturbüro vorzubereiten. Die konstruktions- und technikbasierte Forschung hat in dem Curriculum keinen hohen Stellenwert. Da haben andere Fakultäten einen Vorteil, die ihre Studierenden früh an diese wissenschaftliche Tätigkeit heranführen (z.B. über Forschungsmaster) und dadurch ihren eigenen Nachwuchs in der Forschung ausbilden. Wir müssen unsere Studierenden erst für diese experimentellen Arbeiten stärker sensibilisieren, denn die Forschung im Bereich Architektur ist ein wirklich spannendes Arbeitsfeld.

 

 

Prof. Dr. Helen Rogers
Fakultät Betriebswirtschaft – Forschungsorientierte Professur „Business Models for Emerging Technologies“

Für wen ist Ihr Forschungsgebiet von Bedeutung?
Zu verstehen, welche Trends die Technologie- und Prozessinnovation vorantreiben und wie sich diese zu Geschäftsmodellen entwickeln, ist ein faszinierendes und wichtiges Thema. Das gilt insbesondere, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie wichtig es ist, dass die Wirtschaft der Zukunft mehr im Einklang mit unserer natürlichen Umwelt steht.
Um erfolgreich zu sein, müssen zirkuläre Geschäftsprozesse das Herzstück jeder neuen Unternehmung und Business Idea sein. Wie wir einige dieser großen Fragen angehen und wie wir als Wirtschaftsforscher*innen zu praktikablen Lösungen für die nächsten Generationen beitragen können, ist für mich eine wichtige Motivation für meine Arbeit. Die Tatsache, dass sich die Studierenden sehr für diese Themen interessieren, macht meine Arbeit noch lohnender.

Wie verbinden Sie Forschung und Lehre?
Die beiden Bereiche sind immer eng verbunden, da wir in der Betriebswirtschaft gerne Fallstudien und Praxisbeispiele sowie unsere eigenen Erfahrungen an die Studierenden weitergeben. Im Bachelorstudiengang International Business gibt es beispielsweise das Pflichtfach Project Work. Hier arbeiten die Studierenden in kleinen Gruppen über das ganze Semester hinweg an einem echten Fallbeispiel. Dafür besuchen sie auch Firmen und haben dort auch Ansprechpartner*innen. So haben sie bereits eine Kampagne für den Makerspace des Zentrums für Arbeit und Machen (ZAM) in Erlangen entwickelt oder das virtuelle Training bei der Siemens Digital Factory evaluiert. Sie haben auch ein Geschäftsmodell für ein technologiegestütztes Unternehmen erstellt, das Schokolade per 3D-Druck herstellt.
Im Rahmen des Förderprogramms EXIST bin ich auch als Mentorin für ein Start-up tätig, das nachhaltige Myzelschaumlösungen als Alternative zu herkömmlichen Styroporverpackungen entwickelt.

Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen geben, die im Forschungsbereich tätig werden möchten?

Nicht zögern! Im Forschungsbereich erwartet sie eine großartige Karriere, jeder Tag ist anders und man lernt ständig dazu. Mein wichtigster Ratschlag: sich Zeit nehmen, um ein Thema zu wählen, das einem selbst am Herzen liegt. Das führt zu den besten Ergebnissen.
Ich veröffentliche immer noch gelegentlich mit meinem Doktorvater, bei dem ich vor über 20 Jahren promoviert habe – diese Beziehungen können ein Leben lang halten.

 

 

Prof. Dr.-Ing. Dominik Söthje
Fakultät Angewandte Chemie – Forschungsorientierte Professur „Makromolekulare Chemie und Kunststofftechnik“

Für wen ist Ihr Forschungsgebiet von Bedeutung?
Das Lehr- und Forschungsgebiet bietet durch die enge Verzahnung der Makromolekularen Chemie mit der Kunststofftechnik die Besonderheit, den gesamten Materialkreislauf der Polymere von der Chemie bis zum Formteil und wieder zurück abzudecken. Die hier geschlagene Brücke zwischen den beiden Teildisziplinen stellt so in der Hochschullandschaft eine Seltenheit dar.
Auf den ersten Blick scheint das Lehr- und Forschungsgebiet Makromolekulare Chemie und Kunststofftechnik nur für denjenigen Personenkreis bedeutsam zu sein, der in der Polymerchemie oder der kunststoffverarbeitenden Industrie tätig ist. Tatsächlich sind Polymere und die aus ihnen gebildeten Kunststoffe viel mehr. Kunststoffe sind aufgrund ihrer Eigenschaften (u.a. leichte Formgebung, hohe spezifische Festigkeit, mögliche Transparenz, Einfärbbarkeit) wichtige Werkstoffe unserer Zeit. Sie bilden beispielweise einen Kernbestandteil der Rotoren von Windkraftanlagen zur Erzeugung von Energie. Kunststoffe wirken direkt und indirekt in jeden Haushalt hinein. Darüber hinaus ermöglichen sie den energieeffizienten Personen- und Güterverkehr durch modernen Leichtbau mit Faserverbundkunststoffen und lassen sich als Formteil in nahezu jede Geometrie überführen.
Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit ist Forschung im Bereich der Makromolekularen Chemie und Kunststofftechnik von hoher Bedeutung. So konnten bereits Partnerschaften geschlossen und Vorhaben für eine Steigerung der ökologischen Nachhaltigkeit gestartet werden. Es sollen Kunststoffe aus regenerativen Rohstoffen, vorrangig aus biobasierten Abfallstoffen, entwickelt und ressourceneffiziente Fertigungsverfahren zur Verminderung des Abfallaufkommens eingesetzt werden. Überdies wird ein geschlossener Materialkreislauf angestrebt. Relevante Forschungsergebnisse wirken in die wissenschaftliche Gemeinschaft sowie die Industrie und stärken das Renommee der Hochschule.

Wie verbinden Sie Forschung und Lehre?

Lehre und Forschung gehen meiner Ansicht nach per se Hand in Hand. Jeden Tag lerne ich entweder in der Forschung oder durch die Vorbereitung auf Lehrveranstaltungen neue spannende Dinge hinzu und gebe diese genauso gerne weiter.
Nur durch die Einbindung in aktuelle Forschungs- und Entwicklungsthemen ist es möglich, die Lehre auf einem zeitgemäßen Stand zu halten. Hier muss sowohl die Grundlagenforschung als auch die Bearbeitung industrierelevanter Fragestellungen genannt werden.
Die Forschung an Hochschulen ermöglicht die Bildung von Arbeitsgruppen und gibt dadurch Studierenden die Möglichkeit, schon frühzeitig an Forschungsaufgaben mitzuarbeiten, sich höher zu qualifizieren und gegebenenfalls zu promovieren.
Die Einnahme von Drittmitteln erlaubt die Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden und wirkt unterstützend bei der Instandhaltung und dem Ausbau der technischen Ausstattung, die am Ende wieder der Lehre zugutekommt.

Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen geben, die im Forschungsbereich tätig werden möchten?
Sie sollten sich bewusst machen, das Forschenden viel abverlangt wird. So sind eine breite Kenntnis im angestrebten Forschungsgebiet und eine hohe Frustrationstoleranz Voraussetzung, aber noch kein Garant für wissenschaftlichen Erfolg. Oftmals wird sich sehr langsam und mit vielen Rückschlägen an die gewünschten Ergebnisse herangetastet. Komplexe Aufgabenstellungen sollten daher von vornherein in kleine Teilschritte zerlegt werden.
Wichtige Aspekte sind auch die persönliche Neigung, die Interessen und Fähigkeiten, die unbedingt Berücksichtigung finden sollten. Nur wenn Verpflichtung und Leidenschaft sich die Waage halten, wird es möglich, Begeisterung zu entfalten und der Forschung höchste Priorität einzuräumen.
Für junge Leute, die wirklich in die Forschung möchten, wird diese aber wie ein lebenslanger Spielraum sein, in dem es immer wieder neue, spannende Themen zu entdecken gibt und Herausforderungen zu bewältigen sind.
Ich selbst könnte mir keine andere Tätigkeit vorstellen, die mich neben der Lehre so erfüllen würde.

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