24.06.2021

16. Juni 2021: KomGeDi Zoom-Salon „Kritische und dekoloniale Pädagogik in Lateinamerika am Beispiel von Chile und Argentinien - Eindrücke aus einem Forschungsaufenthalt während der chilenischen Proteste 2019/20"

Trotz Fußball-EM und heißem Sommerwetter war der zweite KomGeDi Zoom-Salon des Semesters gut besucht: Prof. Dr. Steffen Brockmann aus der Fakultät Sozialwissenschaften der TH Nürnberg berichtete einem interessierten Publikum über seine Erkenntnisse im Forschungssemester, das er in Chile und Argentinien verbrachte.

Die Situation in Chile im Herbst 2019 war hoch explosiv. Das extrem neoliberale Wirtschaftssystem im Land, welches in der Zeit der Pinochet Diktatur etabliert wurde, führte und führt noch heute zu starken sozialen Ungleichheiten und hohen Lebenshaltungskosten, da so gut wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens privatisiert sind, einschließlich der Wasserversorgung, der Rentenversicherung sowie des Bildungssektors. Eine Fahrpreiserhöhung, welche nur für die Zeiten des besonderen Berufsverkehrs galt und dadurch besonders die Menschen traf, welche für ihre Arbeit in die Stadt pendeln mussten, brachte schließlich „das Fass zum Überlaufen“.

Auch Studierende beteiligten sich an den Protesten. Steffen Brockmann konnte miterleben, wie mit basisdemokratischen Methoden über die Zukunft eines plurinationalen Chiles diskutiert wurde. Dabei ging es vor allem um Bildung und Pädagogik als transformative und emanzipatorische Kraft für die Gesellschaft. Als eindrückliches Beispiel führte er die „educación popular“ an: In diesem Format diskutieren Mitglieder der marginalisierteren Gruppen der Gesellschaft, während gleichzeitig durch die Dokumentation der Ergebnisse eine Art Bildung von marginalisierten Menschen für marginalisierte Menschen geschaffen wird.

Die von Prof. Brockmann in Argentinien besuchten Projekte basierten vor allem auf dem indigenen Ansatz der gemeinsamen Arbeit (Minga). So zeigte er am Beispiel einer Landschule auf, wie Lehrer*innen und Schüler*innen in gemeinsamer Arbeit ihre eigene Schule aufgebaut haben und in Selbstverwaltung erfolgreich führen. Gemeinsame Arbeit sowie dialogischer Unterricht wird hier genutzt, um Bildung gemeinsam zu erarbeiten.

Sehr deutlich wurde in dem Vortrag der Zusammenhang zwischen Pädagogik und Politik sowie die Tatsache, dass Pädagogik auch herausgelöst aus dem akademischen Kontext und in einer „von unten nach oben“-Bewegung funktioniert und gedacht werden kann.

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